Kolumne Eben: A2? Eijeijeij
A2? Das hat doch wieder was mit Hitler zu tun. Oder ist da etwa Bertolt Brecht im Spiel?
![Autobahnauffahrt zur A2, im Vordergrund Schild, alles tief verschneit. Autobahnauffahrt zur A2, im Vordergrund Schild, alles tief verschneit.](https://taz.de/picture/952295/14/VerschneiteA2.jpeg)
V or zwei Wochen hatte es zum ersten Mal seit langem nicht geheißen: Auch Deutsche unter den Opfern. Es hatte geheißen: Alle Opfer Deutsche. Und wie reagierte dieses Land? Auf jeden Fall nicht so als wäre ein Birnbaum auf eine Hundehütte gefallen und hätte dabei drei kaukasische Eichhörnchen, eine deutsche Schäferhündin, vier von ihr adoptierte australische Wellensittichbabys und einen Strauch Hortensien erschlagen.
Ein Zyniker, wer denkt, es wären nach einem derartigen Vorfall auf Facebook mehr Trauerbekundungen gepostet wurden als nach dem Mord an 10 deutschen Rentnern in Istanbul? Die öffentliche Trauer um den erschossenen US-Polizeihund Jethro war jedenfalls inbrünstiger. Von der Anteilnahme um das Schicksal der Wallerts, die vor 15 Jahren von Islamisten auf Jolo entführt worden waren, ganz zu schweigen.
War es der Gewöhnungseffekt? Oder wollte man wegen 10 toter Deutscher nicht so viel Aufhebens wie bei 130 toten Franzosen machen? Oder lässt die Nation selbst 10 ermordete Deutsche unter den Tisch fallen, bloß damit der Türke alles tut, damit die Flüchtlinge nicht mehr zu uns kommen?
„Ich freu mich, dass sie da sind“
Es wäre zu begrüßen, wenn die nationale Hysterie einfach ausgestorben wäre. Nach dem Auftritt des kollektiven Cholerikers, der sich an den Grapschern von Köln berauschte, lässt sich allerdings nach den strengen Kriterien der Artenforschung feststellen, dass dies noch nicht so weit ist.
Anne Will jedenfalls begrüßte ihre Zuschauer am Sonntagabend mit dem Spruch: „Ich freu‘ mich, dass sie da sind.“ Das hatte vergangenes Jahr halb Deutschland zu den Flüchtlingen gesagt. Schon nach weniger als der Hälfte der Dauer einer Fußball-WM witterte allerdings die Überforderung ihr große Chance. Bisher hatte sie nur kleinere Rollen in Jobs, unter Müttern und als Gefühl spielen dürfen.
Nun fand sie auf der politischen Bühne dankbare Abnehmer ihrer Dienste. Politiker behaupteten, die Überforderung sei kein subjektives Gefühl, sondern der reale Grund, weswegen die gute Stimmung ihren Job hingeschmissen hatte. Überforderung und Stimmung waren in kürzester Zeit derart überbeansprucht worden, dass endlich Platz für die Grenze frei wurde.
Hitlers Autobahn
Nun also A2. Wer da nun wen übers Ohr haut, um Obergrenzen oder Grenzzentren einzurichten, ist Sache der Experten. An dieser Stelle ist der Platz begrenzt und vorgesehen für die investigative Recherche, ob hinter allem nicht doch wieder nur Hitler steckt. Und siehe da: Die A2 ist eine von den berühmten Dingen, die gemeint sind, wenn es heißt, dass nicht alles schlecht war unter Hitler. 1971 wurde die Ost-West-Achse offiziell zur Transitzone, in der DDR lapidar „T“ genannt. Heute wegen des osteuropäischen Brummi-Verkehrs als „Warschauer Allee“ bekannt.
Lahmer Witz, ok! Aber warum sollten nur Politker lahme Witze machen dürfen? Wenn es stimmt, was die Experten sagen, dass Klöcknermerkels Plan A2 die als rechtlich bedenklich abgelehnte Idee der Transitzone für Flüchtlinge wieder verhandlungsfähig macht, dann ist A2 eben auch nicht mehr als ein schlechter Scherz. Aus dem Plan spricht dann nämlich erneut Planlosigkeit und die Ignoranz des Faktischen: Menschen werden so lange flüchten, wie sie fürchten müssen, auf dem Balkan oder in ihren Herkunftsländern zu verhungern, wie Treibgut behandelt oder ermordet zu werden.
Mir fällt dazu Brechts Lied von der Unzulänglichkeit ein. Kenn‘ se nich? Können se was lernen:
Ja mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Eijeijeij?
Und mach dann noch nen zweiten Plan
Und nenn ihn A2.
Denn für dieses Lebenist der Mensch nicht schlau genugniemals merkt er ebenallen Lug und Trug.
Eben!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden