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Kolumne Die eine FrageIst Kretschmann ein Fundi?

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Vor der UN-Klimakonferenz in Paris: Warum das Denken für eine sozialökologische Transformation die Richtung ändern muss. Und zwar schnell.

Winfried Kretschmann auf dem Grünen-Parteitag Foto: dpa

W enn die Reden zu fünfunddreißig Prozent aus den Worten „liebe Freundinnen und Freunde“ bestehen. Und ansonsten daraus, wer sich niemals nicht verbiegen lässt (man selbst) und wofür man sich alles schämt (für die anderen), dann ist? Richtig: Parteitag der Grünen.

Manche Rednerinnen würden sagen: Der Knallgrünen. Da dieser Typus nicht zur Selbstironie neigt, aber sehr wohl zur Wortklauberei, entgeht ihm ausgerechnet das mehrfach Problematische dieses Begriffes.

Es gab in Halle an der Saale auch kluge und nachdenkliche Sätze, so ist es nicht. Cem Özdemir hat sich zwei starke Reden schreiben lassen, mit denen er sich erkennbar als wirklicher Parteichef positionieren will. Es gibt den engagierten Realitätssinn der vielen, die in Landesregierungen täglich um Fortschritt oder Bewahrung kämpfen. Und es gibt daneben immer diesen Stream of blockiertes Denken, das unverdrossen so tut, als gehe es um moralische Einsicht der anderen im Kampf der Grünen Wahrheit gegen das Relativistische. Grüne Ratzingers. Not funny.

Ganz oben in der Böll-Stiftung

Und dann kommt man in den obersten Stock des Böll-Hauses in Berlin-Mitte. Hier denkt Ralf Fücks, der Chefintellektuelle der „Grünen-nahen“ Stiftung, wie das offiziell heißt. Das ist ein frappanter Kontrast zum Parteitag. Es ist faszinierend, zu verstehen, wie die Gedanken freier und gleichzeitig präziser werden, wenn das Denken radikal seine Richtung geändert hat.

Man kann den Kampf für eine sozialökologische Weltgesellschaft und gegen den Klimawandel nicht von seinem eigenen geistigen Wohnzimmer aus denken. Schon gar nicht ökopater- oder ökomaternalistisch. Das versteht man bei Fücks. Man muss ihn aus Sicht der Treiber der Weltgeschichte in den kommenden Jahrzehnten sehen. Das sind die Milliarden, die in China, Indien und in anderen Ländern in die Mittelschicht aufsteigen wollen. Und werden.

Die wollen nicht downsizen. Die wollen durchstarten. Und die ganz Armen wollen nicht Strom sparen. Die wollen Strom haben. In diesem Realismus wird sogar Baden-Württembergs Grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Fundi. Zumindest wenn man ihn auf seinen legendären Satz reduziert: „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr Autos.“

Fücks hält es für eine Falle, in weniger oder mehr Autos zu denken. Weil in diesem Denken das Problem nicht gelöst werden kann.

Die einzige Schraube, an der wir drehen können

Aus eurozentrischer und speziell urbaner Sicht kommt man da ja gerne mit den jungen Menschen, für die das Auto kein Statussymbol mehr sei und blablabla. Was interessiert den Chinesen, wenn in Europa ein Sack Reis umfällt? Was bringt das, wenn in Deutschland ein paar hunderttausend Autos weniger rumfahren?

Weltweit werden es mit dem Aufstieg der globalen Mittelschichten erst mal viel mehr Autos, Millionen und Abermillionen mehr. Und es werden viel mehr Flüge, weil das beruflich und privat ja nun mal dazugehört. Wie keiner besser weiß als wir, und was wir uns auch nicht in Paris abverhandeln lassen, wäre ja noch schöner.

Demnach ist die einzige Schraube, an der man drehen kann, die Energie, mit der wir bewegt werden. Der wahre VW-Skandal besteht nicht darin, dass bei den Stickstoff- und CO2-Emissionen betrogen wurde, sondern dass es in dem System des Verbrennens von Öl überhaupt keine Lösung gibt. Dass durch eine konzertierte Aktion von Autoindustrie, Politik und Bürger das Elektro-Auto hartnäckig als Problem denunziert wird, statt es als eine Lösung entschlossen voranzubringen.

Wie weit man mit der Entkopplung von Wachstum hier und CO2-Ausstoß und Stoffverbrauch dort kommt, ist eine offene Frage. Wie weit man mit moralischem Wachstum kommt, ist dagegen klar: Nirgendwohin.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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15 Kommentare

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  • Das Elektroauto ist keine Rettung. Es ist bei Städtern nur so beliebt, weil Verbrennungsmotoren ein wenig muffeln. Wichtiger für Klima und Umwelt ist es zunächst, den Fleischverzehr zu verbieten. Was danken Sie, PETER UNFRIED? Sollte man nicht die drängendsten Probleme zuerst angehen?

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Elektroautos sind gewiss nicht unproblematisch, insbesondere wenn sie nicht mit erneuerbarer Energie aufgeladen werden. Wenn man umweltschädliche Emissionen vermeiden will, sind Verbrennungsmotoren aber keine Option mehr. Eine Rettung aus der CO2-Problematik gibt es aus meiner Sicht wohl nicht mehr, denn schon ein einziger größerer Vulkanausbruch kann alle Klimaziele der Industrienationen hinfällig werden lassen.

      • @Rainer B.:

        Schonn -

         

        Aber - soviel steht fest -

        Das Gute - ist stets das Schlechte - was man läßt. - odr ->

         

        Mit Rabbi Katz ->

        Vulkanausbruch -

        Woher willst du das wissen?"

        So jet halt. ~> but ->

        Die Frage nach dem

        Handelnden Subjekt multitude -

        Steht eher nakelig im - öh Raum!!)

        • @Lowandorder:

          "Woher willst Du das wissen?"

          Wissen kann man das nicht, aber es gibt Wahrscheinlichkeiten, die das nahelegen. Es würde mich jedenfalls nicht sonderlich wundern, wenn morgen die halbe Eifel hochfliegt - fällig ist die schon lange.

          Ich sach das ja nicht, damit man so schlecht weitermacht, wie bisher. Die Chinesen etwa stoßen da inzwischen auch auf Erkenntnisse, von denen die Älteren im Ruhrgebiet noch ein frisches Bergmannsliedchen singen könnten.

      • @Rainer B.:

        Mal abgesehen, davon, dass die Klimaziele der Industrienationen Augenwischerei sind: Der ökologische Impact eines KFZ bemisst sich nur zu einem gerinen Teil aus dem Kraftstoffverbrauch und Abgasausstoß. Ins Gewicht fallen vor allem Rohstoffe, Produktion und Entsorgung. Der erste Schritt muss sein, die durschschnittliche Lebensdauer von KFZ zu steigern und die Verwendung ökologisch problematischer Materialien und Komponenten auf ein Minimum zu beschränken. Aktuell verbraucht ein KFZ bei der Produktion des Sechsfache an Energie und Resourcen wie während seiner gesamten durchschnittlichen Lebensdauer. Erst, wenn diese Kriterien brücksichtigt sind, können E-Autos evtl. einen ergänzenden Beitrag leisten, vorausgesetzt, die nötige Energie zum Betrieb wird auf sinnvolle Art gewonnen. Nicht sinnvoll wäre es z.B. auf Energienutzpflanzen zurückzugreifen, solange sie in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion stehen.

         

        Notwendig ist z.B. auch eine Leistungsbeschränkung von KFZ: 75PS sollte die absolute Obergrenze sein.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Ein klassischer 2CV (Leer 560kg!) ausgerüstet mit einem modernen Direkteinspritzer mit sagen wir max 40PS wäre sicher ökologischer und nicht zuletzt praktikabler im Einsatz als fast jedes heutige tonnenschwehre Elektroauto aus "modernsten" (Verbund-)Werkstoffen. Leichter zu recyclen wäre er ohnehin. (Stahl, Alu, ein wenig Plaste für Armaturenbrett und Rolldach, Stoff für die Sitze und ein paar meter Elektrokabel: das wars - geht alles in fünf getrennte Container)

           

          Voraussetzung für jede echte "Verkehrswende" wäre aber ein allgemeines Tempolimit von 100km/h mit der Folge Auto wieder einfacher und leichter zu denken. Zudem müsste das Schienennetz wieder die Ausdehnung wie zu Zeiten des Deutschen Reichs von vor Hundert Jahren bekommen: Jeder Kleinstadt seinen (Güter-)Bahnhof! Das Auto wäre dann reines Verbindungs- und Zuführfahrzeug zum Einkaufen, Mittellstreckenpendeln und zum Bahnhof fahren...

           

          ...und erst dann könnte es neben dem Comeback der Ente auch zu einem breiten Durchbruch der Elektromobilität kommen - aber erst dann.

           

          Alles so realistisch wie ein allgemeines Fleischverbot aber wenn wir eh schon beim "Wünsch dir was" sind...

          • @Waage69:

            Ich hab zwar noch keinen 2CV gesehen, der mit 100 km/h aus der Kurve geflogen wäre, aber einen Aufprall mit so einem Fahrzeug überlebt nunmal kaum einer. Will sagen, es gibt zum Teil gute Gründe dafür, dass die Autos heute schwerer sind.

            • @Rainer B.:

              Komisch, diese Argumentation kenne ich schon seit 30 Jahren und die kommt meist von (auch damals schon) mittelalten gutsituierten Herren im Anzug mit soliden &schweren Limousinen von Mercedes, BMW und Audi - von Ihnen hätte ich das nicht erwartet ;-)

               

              Ich komm ja vom Land und ich habe im Laufe meines Lebens leider mitbekommen müssen, dass sich etliche Landjugendliche mit flotten 3er BMWs, aufgebrezelten Ralleykadetts B und C, Mantas oder dem vom Papi ausgeliehenem Audi 100 5 Zyliner (damals der Knaller) um die Bäume gewickelt haben aber ich glaube nicht das die Unfallstatistik eine erhöhte Mortalitätsrate von 2CV Fahrer*innen hergibt.

               

              Ich werde mich aber mal nach entsprechendem umschauen!

              • @Waage69:

                Natürlich kann man sich bei idiotischer Fahrweise mit jedem Fahrzeug leicht ins Jenseits befördern. Beim 2CV fehlt allerdings jegliche Knautschzone, die vorher nennenswert Energie abfangen könnte.

                • @Rainer B.:

                  ...und deshalb fahren in den USA echte Männer nur einen "Big Block" also einen V Achtzylinder. Mit dem "Small Block" also dem V Sechzylinder dürfen aus Sicherheitsgründen nur Frauen bis zum nächsten Supermarkt fahren...

                   

                  ...Reihenvierzylinderfahrer*innen werden gleich von CIA und FBI überwacht - auch wegen der Sicherheit: da können nur Terrorist*innen und/oder Umweltschützer*innen drin sitzen!

                  • @Waage69:

                    Zitat aus "auto motor sport":

                     

                    "(...) Die Sicherheit des 2CV besteht in erster Linie darin, dass er Tempounfälle unmöglich macht – an kleineren Unfällen nimmt er dagegen ja mitunter teil. Die passive Sicherheit ist übrigens gar nicht so schlecht – wie auto motor und sport in den Siebzigern bei einem Crashtest im Allianz-Technikzentrum in München feststellte. Fritz B. Busch sagte einmal, auf die Sicherheit des 2CV angesprochen: „Man zeige sie mir, die Zerquetschten.“ (...)"

                    • @Waage69:

                      Was Sie so alles lesen. Die meisten Autoren dieser Blätter werden doch nur Auto-Motor-Sport-Journalisten, weil da die Schmierung immer so gut ist und die "passive Sicherheit" natürlich auch.

                      Dabei wissen Sie doch selbst ganz genau, dass der 2CV - wie übrigens die meisten damaligen französischen Autos auch - ein eher zufällig fahrendes Drahtgebinde mit Hupe war.

  • Wie jetzt, Herr Unfried? Die grünen Fundis reden Müll, aber die Realos, die die von Ihnen beklagte Umweltkatastrophe via "Realpolitik" unterstützen, sind OK?

     

    Ich fürchte, das müssen Sie uns noch genauer erklären.

  • Natürlich - oder sagt man jetzt ökologisch - ist der Kretschmann ein Fundi. Als erster Mann im Daimler-Ländle, wo Mercedes, Porsche und Bosch seit etlichen Jahren Tag und Nacht mit Hochdruck an der Verhinderung eines Elektroautos arbeiten, ist er nicht nur Ministerpräsident, sondern auch zugleich oberster Widerstandskämpfer. Mit beiden Füßen fest auf Bremse und Gas ist er sozusagen der Wheelkiller, der ultimative Burn-Outer der baden-würtemberischen Landeskarosse. Ein typischer Fundi halt - wenn auch durchgängig im Realo-Gewande.

  • ;) Pfundig!

    P.U. -> I & Ralf Fücks - get it!¡) -> ok

     

    Is ja bald Weihnachten - mal

    Ökolopoly by Frederic Vester* ->

    Von Adorno untern -

    Baum legen lassen.

    Ok - downloaden geht auch;()

     

    ps * http://www.frederic-vester.de/deu/ecopolicy/