piwik no script img

Kolumne Die eine FrageGrüne ohne Umweltminister

Eine grundsätzliche Frage zur Bundestagswahl 2013: Warum interessiert eine Ökopartei die Energiewende nicht?

Trittin will der bessere Finanzminister sein, Göring-Eckardt die bessere von der Leyen. Aber wer wird Energiewendeminister? Bild: dapd

S eit vielen Jahren verschieben die Grünen die Bundestagswahl. 2005 hieß es: Na ja, Übergangswahl, aber 2009 werde es ernst. 2009 hieß es: Na ja, noch nicht, aber 2013. Inzwischen sind manche Politiker – ungeachtet des Ausgangs der Landtagswahl in Niedersachsen – längst im Kopf bei der Wahl 2017. Und damit ist man bei der wichtigsten Frage in einem Teil der bürgerlichen Gesellschaft. Warum interessiert die Energiewende die Grünen nicht?

Die Frage mag überraschend sein, schließlich verwenden alle Medien das Wort „Ökopartei“ als Synonym für die Grünen. Doch welchen anderen Schluss könnte man aus der bisherigen Wahlkampfinszenierung ziehen? Nicht nur bei der Urwahl unlängst wurden grade vom Spitzenpersonal zu dem angeblich zentralen Parteithema Sprechblasen abgesondert. Wer steht denn für die Energiewende, wenn er oder sie schon nicht existenziell davon umgetrieben wird? Wenn man das fragt, und das tue ich, sagen alle: Na, der Jürgen.

Es stimmt, dass Spitzenkandidat Jürgen Trittin mal Umweltminister war und auch heute zum Thema kompetent und teilweise klar Position bezieht. Trittin war indes nie ganz vorn bei dem Thema, sondern gehörte vorn eher zu den Hinteren. Vor allem will er nicht das Gesicht der Energiewende sein, sondern das des Meisterns der Weltfinanzkrise.

Die andere Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt ist das soziale Antlitz und arbeitet damit das zweite, mutmaßlich wahlrelevante Gefühl in der Wählerschaft ab. Er will der bessere Finanzminister sein, sie die bessere von der Leyen. Unabhängig davon, ob man daran glaubt, man kann sich etwas darunter vorstellen. Aber wer wird Umwelt- oder Energiewendeminister?

Braucht die Energiewende ein „Gesicht“?

Tja, heißt es. Danach sofort die Gegenfrage: Braucht die Energiewende denn überhaupt ein „Gesicht“?

Alte Diskussion, die Gegenargumente sind bekannt, erstens geht es den Grünen bekanntlich um Inhalte, zweitens würde das Ministergeschachere im Fall der Fälle kompliziert genug und drittens fällt auch Insidern kein natürlicher Manager des Jahrhundertprojekts ein. Einen exzellenten Fachpolitiker wie Hans-Josef Fell kann man ja leider nicht zum Minister machen; da liefe man Gefahr, dass er ernst machen will. Den reicht man lieber auf der Landesliste nach hinten durch.

Marco Limberg
Peter Unfried

Der Autor ist Chefreporter der taz. Seine Kolumne „Die eine Frage“ erscheint alle 14 Tage in der sonntaz. Das Wochenendmagazin ist am Kiosk, e-Kiosk und im Wochenendabo erhältlich. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Ziemlich schnell heißt es dann: Bärbel Höhn? Frau, Links-Proporz, Joberfahrung. Könnte drauf rauslaufen. Als ehemalige Umweltministerin einer SPD-geführten Regierung in Nordrhein-Westfalen hat sie eine wichtige Erfahrung gemacht. Nämlich dass mit der derzeitigen SPD keine Energiewende zu machen ist – ob mit Kohle-Steinbrück vorn dran oder mit Kohle-Kraft.

Kontrafigur zu Peter Altmaier

Es mag für Politiker etwas inhaltistisch argumentiert sein, aber es könnte im Sinne des Ernstnehmens von Bürgern durchaus helfen, wenn man einen potenziellen grünen Energiewende-Manager hätte, der im Wahlkampf als Kontrafigur zu Peter Altmaier skizziert, was für eine Energiewende die Grünen denn anstreben. Wo und wie sie dafür einen Partner und eine gesellschaftliche Mehrheit bekommen wollen. Welche Energiewende uns erwartet, wenn CDU und SPD regieren, also Wirtschafts- und Soziallobbyisten.

Wenn die Energiewende nicht längst bei allen Parteien angekommen ist, sondern wirklich nur mit den Grünen geschafft werden können sollte, dann muss da was kommen. Inhaltlich, personell, kulturell und emotional. Und zwar nicht erst 2017. Jetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • A
    Arne

    Der Artikel zeigt sehr gut auf, dass die Grünen überhaupt keine Perspektiven bei der Umstellung auf regenerative Energien haben. So habe ich hier in Niedersachsen, wo doch Wahlkampf ist, nichts davon gehört, wie wir unsere Resource Wind vernünftig für die daraus zu erzielenden Gewinne gegenüber dem Süden (der den Bau von Windkraftanlagen einfach verpennt hat) nutzen könnten, um einen höheren Wohlstand auch hier im Norden zu erreichen. Stattdessen dürfen wir uns von den Fressern unserer Energie wie Bayern anhören, dass sie noch per Landesfinanzausgleich uns Zuschüsse geben müssen. Der Trassenbau wird einfach der schwarzgrünen Bundesregierung überlassen, die natürlich die üblichen Verdächtigen wie RWE, Vattanfall und EnBW (freut sich da Kretschmer?) überlassen.

     

    ABER:

    Man muss wohl schon das Gehalt eines TAZ-Chefreporters bekommen und sich schon bei Springer und Bertelsmann abgesichert haben für die Zukunft, um bei den Hartz-IV-Besessenen wie Göring-Eckardt "ein soziales Gesicht" zu vermuten oder die SPD als "Soziallobyissten" zu bezeichnen.

  • HS
    Hans Siekmann

    Bedingungsloses Grundeinkommen und Verzicht auf Zinseszinsen das sind meine beiden Wahlpunkte, die ich umgesetzt sehen will. Aber keine partei packt das an.

    Die Energiewende und der Klimawandel werden verschaukelt.

    Liebe Grüne, bitte aufwachen, unsere Leistungsgesellschaft mit Vollbeschäftigung und Kapitalwirtschaft ist bereits seit 1992 tot, die Herz-Lungenmaschine ist bereits seit 1995 abgestellt.

    Wir werden jetzt eine Bedarfsgesellschaft.

    Alles andere ist doch nur dazu da, um ein paar wenige Hunderte in Reichtum verhungern zu lassen. Wie sonst könnte ich die Existenz von Politikern verstehen, die so gar nichts auf die Beine Bekommen, ausser das Bestehende zu verwalten, welche aber Ihren Gehaltsanspruch wegen Veränderungen, also Wandel beanspruchen?

  • O
    Oeseeg

    Ja, einE grüneR, couragierteR EnergiewendeministerIn könnte unsere Reise zu 100% Eneuerbaren Energien für sichere, importunabhängige & preiswerte Energieversorgung, regionale Arbeitsplätze & Wertschöpfung sowie Klimaschutz deutlich beschleunigen.

  • S
    Sebastian

    Ein brillantes Stück blütenreiner journalistischer Beweisführung! Den Grünen ist die Energiewende voll unwichtig. Weil … die wollen ja erkennbar überhaupt gar nicht die Bundestagswahl gewinnen, höchstens vielleicht 2017. Und weil … die haben zwei Spitzenkandidaten, von denen ist nur einer für Energiewende zuständig, und der redet sonst auch noch über Finanzen und so. Und weil … die haben zwar kompetente Fachpolitiker zum Thema, aber die wurden ja noch gar nicht zum Umweltminister nominiert. Und weil … Herr Unfried fühlt sich von den Grünen energiewendetechnisch gar nicht abgeholt – so kulturell und emotional. Die neurotisch fixierte Grünen-Hetze der taz schlägt den Grundregeln politischer Logik doch immer wieder ein Schnippchen.

  • E
    eksom

    Die grüne Führung hatte doch erst so ca. 2004/2005 herum beschlossen aus Mitte-links nach Mitte-recht zu rutschen bzw. zu wechseln! Erst dadurch wurden doch die Grünen für viele konservative Bürger/Innen des rechten Lagers (CDU-SPD-FDP...) wieder wählbar. Die sogenannte, enttäuschte bürgerliche Mitte! Meistens Doppelverdiener, mit zwei Hunden und/oder Autos, viel Intellekt, aber mit wenig Einsicht. Leben schön in Ihren Reihenhausghettos, oder teuren ETW´s und versuchen um jeden Preis ohne echte Veränderungen bei/für sich selbst!) Ihren Status so lange wie möglich zu behalten. Der Rest der Gesellschaft interessiert Sie nicht! Aber bald werden auch diese Egoisten "ausbluten! Spätestens im Rentenalter.

  • S
    solarabzocker

    Solange die Moneten für die Solarklientel fliessen, ist den Grünen alles andere egal.

  • RM
    robert M.

    Die Antwort ist simpel.

     

    Soweit ich sehe, habe ALLE linken Parteien nur noch zwei Agenden:

     

    1. gender.

     

    2. Steuerhöhung zum Bürokratieausbau.

     

    Was interessiert die Grünen da noch der Umweltschutz? Was interessiert die SPD da noch der Arbeiter? Was interessiert die Linke da noch der Obdachlose?

     

    Da sind alles Themen, die weder etwas bringen noch gender sind.

  • K
    Kommentator

    Wieso? Passt doch zur grünkonservativ-liberalen Seele: Altmeier macht den CDU-Umweltminister für die Industrie, Göring-Eckart verarmt als Sozialministerin wieder massig die Unterschicht während der mittlerweile knallhart neoliberale Trittin wieder der Finanzbranche zuschustert.

     

    Ergo: schwarz + grün = gelber als die FDP. Mitkriegen tut es in der BRD eh keiner - Denken war hier noch nie in Mode. Und im Zweifel ist man eh rechts.

  • UB
    Ulrich Brossies

    Seit wann steht Frau Göring-Eckardt für "Soziales"? War sie nicht dabei, als die Hartz-Gesetze verabschiedet wurden? Wollte sie nicht den "Niedriglohnsektor"? War sie nicht die gläubigste aller Schröderianer? Neben Trittin versteht sich.