Kolumne Die Lage am Lago: Public Huping

In Ancona am Lago Maggiore überwiegt die gelangweilte, gut situierte Klientel. So wird das Public Viewing der deutschen Spiele zu einer speziellen Erfahrung.

Ja, das war ein Hupen, ein rhythmisches sogar. Wir springen von unseren Lounge-Liegen auf und rennen Richtung Straße. Gerade noch sehen wir das Auto, aus dem eine kroatische Fahne weht. Dann hupt es noch einmal. Wir hören von irgendwoher aus der Stadt andere Hupgeräusche. Es ist nicht fassen. Gleichzeitig beginnen wir den Kopf zu schütteln. Sollte es tatsächlich so etwas geben wie Stimmung in Ascona, EM-Stimmung gar?

Noch während das Spiel lief, haben wir uns lustig gemacht über die deutschen Fans, die sich in Ascona zum öffentlichen Fernsehschauen an der Strandpromenade versammeln. Da sitzen jede Menge rosa Polo- oder Oberhemden, prall gespannt über mit teuren Weinen wohl gefüllten Schmerbäuchen. Siegelringe blitzen in der Sonne. Frauen, denen man ansieht, dass sie gern viel jünger aussehen würden, als sie sind, lümmeln auf Liegen, immer eine Hand am faltigen Hals. Am Ende sieht noch wer was Runzliges. Nur ein paar Mädchen tragen deutsche Team-Trikots und haben kleine Flächen auf den Backen dreifarbig angemalt. Sie haben das gelangweilte Geschaue ihrer Eltern von der Pieke auf gelernt. 0:1, kaum Raunen. 0:2, kein Raunen, und beim 1:2, da schaut schon kaum mehr einer zu. Ganz angenehm, finden wir, und erzählen uns genervt von Brüllaffen, Bierpfützen und Kotzhaufen - Fanmeilenanekdoten von 2006 halt.

Und dann das! Das Hupen. Immer wieder fährt ein Kroatenmobil an der Viewing-Lounge vorbei. Den bring ich um! Es ist nicht nur einer, der sich nicht mehr halten kann. Wir fragen uns, ob die jetzt wirklich einen töten? Ist die rosa Horde tatsächlich in der Lage, einem Kroaten die Siegelringe durchs Gesicht zu ziehen? Wieder hupt es. Den bring ich um! Wissen die nicht, dass sie mehr riskieren als eine Rote Karte, wenn sie dem Kroaten an die Gurgel gehen?

Warum regt ihr euch so auf? Ein Frau will wissen, was ihren Alten treibt. Der ist noch immer voll in Rage. Der Scheiß-Kroate, den bring ich um! Er erklärt, worum es geht. Wir haben verloren, und der freut sich. Die Frau versteht nicht. Wieso verloren? War das Spiel denn schon vorbei? Wir investieren noch einmal neun Franken für ein Bier. Wir können uns nicht satt sehen am Public Viewing in Ascona.

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