Kolumne Die Kriegsreporterin: Es riecht in Hamburg. Nach Mann
Bei Gruner & Jahr gibt es „Walden“ und Wurstanleitungen, beim „Karpfenmagazin“ nackte Frauen und bei den Freischreibern einen tollen Preis.
H allo taz-Medienredaktion, heute melde ich mich vom Hamburger Baumwall. Ich stehe vor dem Verlagsgebäude von Gruner & Jahr, und ich muss sagen, es riecht. Nein, nicht nach Mäuse-Urin – das Haus soll unter einer veritablen Nagerplage leiden –, nein, es riecht nach Mann.
Das Thema „Mann“ scheint neben Handarbeiten die letzte Hoffnung des Verlags zu sein. Während Gruner mittels Bastelheften wie Flow die Frauen vom politischen Engagement und der Masturbation abhält, setzen die Strategen bei den Herren auf die Freude am Kampf mit den Elementen. Für 7,50 Euro will man ab Mai „Outdoorerlebnisse vor der Haustür“ liefern und nennt das Geldmachheft unverschämterweise Walden, nach dem schönen, berühmten Roman von Thoreau.
„Vor der Haustür“ – das mag bedeuten, Bäume im Park zu umarmen oder auf dem Friedhof Regenwürmer zu sammeln. Schon vor zwei Wochen war die Presseabteilung schier ausgeflippt, weil eine Sonderausgabe des Magazins Beef! „alles über die Kunst“ des „Selber Wurstens“ darzulegen versprach. Denn, „Wer Wurst wirklich liebt, der macht sie selbst.“ Und zwar „mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen“. Wer Wurst unwirklich liebt, der lässt es.
Unverständlich ist, warum nicht gleich Wurst-Walden rausgebracht wird, für das Wurstmachen vor der Haustür. Schön vor der Haustür ein Tier töten, ausweiden, Darm säubern, Tier mit dem Taschenmesser kleinschnibbeln, rein in den Darm. Stock reinpieken, und die Wurst überm Feuer in der Aushebung des Mietskasernen-Fußabtreters brutzeln. Das kommt aber vielleicht als Nächstes. Die Gruner Würstchen haben nämlich Autoaufkleber konstruiert, für „echte Kerle“. Wer sich nicht am Geruch erkennt, der soll es an der Karre tun. Einer kommt in der Optik von „Brot für die Welt“ daher: „Wurst für die Welt“.
Nach altem Fisch oder nach Rainer Brüderle nachts an der Bar riecht hingegen das Karpfenmagazin aus dem Jahr-Top-Spezial-Verlag, der allerdings nix mit dem Baumwall-Jahr zu tun hat. Auch hier appelliert man an das Einfache im Mann und hat dem aktuellen Heft „Biss-Alarm!“ einen Kalender mit „Carp- & Catfish-Beauties“ beigelegt. Was nicht bedeutet, besonders hübsche Karpfen und Welse zu zeigen, sondern unbekleidete Frauen, die Fische halten.
Im ersten Moment habe ich gedacht, das sind Femen-Aktivistinnen, die gegen Fischzucht protestieren, jetzt aber bin ich unsicher. Die Frauen sehen zum Teil recht ostig aus. Ich glaube, dies ist ein weiterer Versuch von Russia Today, den Westen zu unterwandern.
Apropos unterwandern. Der Schrecken aller Chefredakteure, der Organisation gewordene Albtraum aller Ausbeuterverlage und Rundfunkanstalten, mein kleiner, tapferer Verein „Freischreiber“ hält Sonnabend seine Jahresversammlung in Hamburg ab. Dort wird auch der – zumindest bei Freischreibern – beliebte „Himmel- und Höllepreis“ verliehen. Das wird lustig! Zumal die Verleihung auch für Nichtmitglieder zugänglich ist.
Ja, wenn ich Chefredakteurin wäre, eine von denen, die mit so fiesen Dingen wie „Code of Fairness“ gepiesackt werden, mit peinlichem, öffentlichen Genörgel wegen unterirdischer Bezahlung oder schlimmer Verträge, ich würde die Mäuse in meinen Redaktionsräumen einsammeln und zur Feier des Tages bei den Freischreibern aussetzen. Oder die dämlichsten Textstellen ihrer Mitglieder an die Hauswand werfen. Ach, ich hätte mein Späßchen!
Da aber nicht ich Chefredakteurin bin, sondern wie man an den Produkten sieht, nur die langweiligsten Menschen dieses Landes, bleibt der Spaß wohl einseitig. Voll Vorfreude zurück nach Berlin!
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