Kolumne Deutschenfeindlichkeit: Mir brauche Lichterkedde

Woher bloß dieser Hass? Warum nur diese Verachtung?

Wissedse, i han nix gege Mulddikulddi, überhaupt ned, i bin braggdisch liberal. Guggedse, mir g'fällt des halt, wenn's a bissle bunt zugeht. Un die Ausländer, die bringe mit ihrer Lebensfreude erscht Stimmung ins Häusle.

I war ja au scho mit meiner Frau do, do unte in Anatolien un in Thailand un überall war'n mir, und i sag Ihne, so höfliche Kellner finde Sie hier braggdisch nirgends mehr. Die Leut do gebe Ihne ihr letschdes Hemd, weil ihne andere Sache wichtiger sin: die Familie, die Naddur und ebbe die Gaschtfreundschaft. Die sin oifach bescheidener wie mir. Un die habe a Schbiritualität, die wo uns verlore gange isch.

In dem Gebabbel um Integraddsion, do wird au übertriebe. I moin, braggdisch jeder hod a bissle Dregg am Stegge, mir Deudsche waret ja au ned immer so koscher, gell, un mir wolle uns des ned immer uffs Brod schmiere lasse. 's gibt überall solche und solche, do muss ma die Schbreu vum Weiza drenna un mehr uff die Bildung achtgebbe. Un ma muss au amol Fünfe grad sei lasse, un so a bissle Loggerheid, des könne mir scho lerne von denne mit Migraddsionshindergrund.

I han au an Nochbar, Bayram hoißt der, des isch fei a fleißig's Männle, des muss i scho sage, der schafft beim Daimler und lebt ned uff Schdaadskoschde. Un seine Kinder, die gehn alle uffs Gymnasium, un die schwätze ein Deudsch - untadelig, sag ich Ihne. Un die Tochter, die sieht aus, so ogmolt wie a Oschterei dät ich meine Tochter ned rumschbaziere lasse, des isch scho faschd sexischdisch.

Der Bayram, der hod mi un mei Frau oft eiglade g'habt, do hods so oriendalische Baklava gegebbe. Aber oimol, do isch der Bayram mit seiner Frau - wissedse, die hod koi Kobbfduch, die isch braggdisch modern - vor meiner Tür g'schtande un sagt: Grüßgottle, Herr Blum, mir komme zu B'such! Do han i g'sagt: I weiß ja ned, wie des bei euch dahoim isch, aber bei uns, do kannsch du ned oifach uog'meldet klingle. Die sin halt doch andersch wie mir. Des Brinzibb mit der Mülldrennung muss ma denne au immer widder erkläre, un die Prodeschde in Schduagatt ware ihne au schnubbe.

Oimol han i au faschd a Techdelmechdel g'habt mit so eim Mädle mit Migraddsionshindergrund. Des war uff der Fachhochschul, a Iranerin war des, a blitzsaubers Mädle. Aber Geschbräche mit einem Tiefgang, des war ned grad ihre Schbezialidäd.

Die hod immer Pedding un Rambazamba g'wollt, un wenn ich i oimol a Viertele zahlt han, dann hod die g'moint, des sei selbschdverständlich. Do han i g'sagt, dass wir hier Emanzipation habe und sie ihr Disco g'fälligscht selber zahle soll, do hod die mich braggdisch sitzelasse. Des war scho deutschenfeindlich.

Un für so einen Deutschenhass gibts koin Grund. I moin, niemand isch so grundanständig gegenüber denne Ausländer wie mir. So wie's früher Lichterkedde gege Ausländerhass gegebbe hod, so müsst's au Lichterkedde gege Deutschenhass gebe, moinedse ned au?

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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