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Kolumne Deutsch-Sowjetische FreundschaftDüstere Schulerfahrungen

Kolumne
von Markus Völker

Ist das Russisch eingerostet? Dann braucht man Wodka, der löst die Zunge. Dann kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des Vergessens wähnte.

Die Sotschi-Matrjoschkas (oder Matrjoschken?). Bild: dpa

S OTSCHI taz Russisch haben wir früher nicht gemocht. Wenn die Lehrerin sagte „Wosmitje list bumagi“, dann hat die halbe Klasse eine Panikattacke gehabt und der Rest sah verdammt käsig aus. „Nehmt ein Blatt Papier heraus“, hieß die Anweisung übersetzt, was nichts anderes bedeutete, als dass jetzt eine Russischarbeit anstand.

Eine Russisch-LK war ungefähr so beliebt wie drei Mathe-Tests. Aber da musste man halt durch, wenn man beim nächsten Treffen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaf (DSF) den Freunden nicht nur stammelnd gegenübertreten wollte. Ich bereue es schon ein bisschen, dass ich damals nicht mit mehr Eifer bei der Sache war. Ich könnte in Sotschi, Adler und Krasnaja Poljana mehr verstehen und nicht immer nur so halbgar herumkommunizieren mit den Russen.

Es ist kein Geheimnis, dass Wodka die Zunge löst und den Sprachschatz öffnet. Plötzlich kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des Vergessens wähnte. Bei einer Wodkarunde sprach ich mit Maxim, zunächst auf Englisch. Je länger der Abend dauerte, desto mehr Russisch mischte ich bei.

Maxim war hin und weg, als ich komplett ins Russische wechselte und über meine düsteren Schulerfahrungen sprach. Als ich ihm erzählte, dass meine Tochter eine singende Spielzeugpuppe namens Tschiburaschka besitzt, schmatzte mir Maxim ein Bussi auf die Wange.

Eine Ansprache auf Russisch

Auf Maxims Begeisterung folgte eine neue Runde Wodka, die wir mit einem Biss in einen Apfelschnitz abrundeten. Ich hielt dann sogar eine kleine Ansprache auf Russisch – ich hatte Geburtstag. „Dorogije Drusja“, also „liebe Freunde …“. Ich überlegte, ob ich meinem neuen Freund noch von den Matrjoschkas im Haus meiner Eltern erzählen sollte, ließ es dann aber, weil ich damit in Maxim eine unkontrollierte emotionale Eruption ausgelöst hätte.

Das wollte ich nicht. Von dem Abend blieb ein schmerzender Kopf. Und die nüchterne Erkenntnis, dass mein Russisch keinen Deut besser geworden war. Sollte ich jetzt vor jedem Gespräch Wodka trinken, um gut parlieren zu können? So in etwa wie Raj in der Fernsehserie „Big Bang Theory“, der nur angetrunken seinen selektiven Mutismus überwindet und mit Frauen redet? Nee, zu viel Wodka ist nicht gut. Von da an war wieder Stammeln angesagt. Patschemu njet?

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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