piwik no script img

Kolumne Der rote FadenDer Klorollenhut als semiotischer Code

Johanna Roth
Kolumne
von Johanna Roth

Während Trump von „Shitholes“ fabuliert, fahren die Deutschen immer noch Häkelmützchen fürs Klopapier spazieren: Der Irrsinn der Woche.

Braucht es dafür wirklich ein Häkelhütchen? Foto: dpa

N eulich, zu Besuch in Niedersachsen, überholte ich auf der B65 einen Wagen, auf dessen Hutablage tatsächlich zwei Hüte lagen. Damit nicht genug: Sie waren gehäkelt, grellbunt und mit Ringelmuster, einer schien sogar einen Bommel zu haben. „Trägt man das hier bei euch jetzt so?“, bemerkte ich in Richtung meines neben mir sitzenden Vaters, der daraufhin die undankbare Aufgabe hatte, mich über die traditionsreiche­ Verwendung des Klorollenhuts in deutschen Autos aufzuklären. Vor Schreck bog ich falsch ab und wir landeten in Nordrhein-Westfalen.

Zurück in Berlin wagte ich eine tiefergehende Recherche. Erst mal natürlich bei Wikipedia: „Als Klopapierhut oder auch Klohut (ebenso: Klopapiermütze, Häkel-Klopapierrolle oder Häkel-Rolle bzw. Varianten mit der Verwendung des Ausdruckes Toilettenpapier) wird die meist gehäkelte Abdeckung einer Klopapierrolle bezeichnet, die vor allem in privaten Personenkraftwagen verwendet wird.“

Google schlug vor, ich könne mir doch gleich selbst einen basteln („gehäkelte klorolle auto anleitung“). Als feinmotorisch eher Minderbegabte guckte ich lieber auf dawanda.de, einer Art virtuellem Gemeindebasar mit allerhand Selbstgemachtem, in der Rubrik „Wohnen + Leben“ und fand immerhin 436 liebevoll von Hand gefertigte „individuelle Produkte“. Warum 14 davon auch als „Herren-Accessoires“ gelabelt waren – man weiß es nicht.

Liebes Deutschland, was ist da los?

Das reinliche Bürgertum

Jede Provinzraststättentoilette desinfiziert sich heutzutage automatisch von selbst, aber wir müssen unser Klopapier schön prominent im Auto platzieren, damit der Hintermann weiß, hier ist nicht nur Finn-Luca an Bord, sondern auch sein stets für alles gewappneter Saubermann von Papa?

Gleichzeitig ist Klopapier natürlich total igitt, mit SO WAS wollen wir nicht in Verbindung gebracht werden, also kaufen wir für 18,50 Euro den „sexy Toilettenpapierhut dunkle Schönheit“ aus brauner Wolle mit Brüsten und rosa Bikini drauf. Echt jetzt?

Der Klorollenhut ist ein besonders interessantes Beispiel für einen semiotischen Code. Ein Sender (Klorollenhutbesitzer) kommuniziert einem Empfänger (im Auto dahinter) über das nonverbale Zeichen gehäkelter Hässlichkeit (Minions! Blümchenmuster! Deutschlandfarben!) eine kulturspezifische Konvention: Achtung, hier fährt in Vorbildfunktion ein Klopapiervorratbesitzer, du Ferkel! Immer schön anderen ins Gesicht strecken, das reinliche Bürgertum – aber bitte nicht mit nacktem Hintern.

Überhaupt ist das Verhältnis der Deutschen zum Themenkomplex Toilette ja bekanntlich gestört; über das ausschließlich hierzulande verbreitete Modell „Flachspüler“ verfasste die New Yorker Autorin Erica Jong mal eine herrliche Wutrede: „Deutsche Toiletten sind der Schlüssel zum Horror des Dritten Reichs. Leute, die so was bauen, sind zu allem fähig.“

Trumps rassistischer Ausfall

Falls Sie jetzt die Nase rümpfen und fürchten, Ihre taz entwickle sich zum Sanitär-Blödel-Fachblatt, bitte ich um Verzeihung. Aber Sie und ich sind da doch härter im Nehmen als die Grande Dame New York Times, die in dieser Woche zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1851 das Wort „shithole“ drucken musste, und das nicht etwa wegen einer vorlauten Nachwuchskolumnistin.

Der Präsident höchstselbst soll dieses Wort verwendet haben, leider nicht in Bezug auf sein Badezimmer, sondern auf Herkunftsländer wie Haiti oder Teile Afrikas. Trump will lieber mehr Menschen aus Norwegen aufnehmen (die Skandinavier haben ja, das ist hinlänglich bekannt, alle Gründe dieser Welt, in die USA zu fliehen). Entschuldigung, aber es ist doch so: „Klotaucher“ wäre für diesen Kerl ein wirklich viel zu netter Ausdruck.

Wie es um die österreichischen Toiletten bestellt ist, weiß ich übrigens nicht, aber in der Sch**** mit dem „Dritten Reich“ steckten auch die Nachbarn tief mit drin, was viele leider entweder vergessen oder allzu unbekümmert erinnern,­ allen voran der neue Innenminister, ein gewisser­ Herr Kickl. Der regte vor ein paar Tagen­ an, Flüchtlinge künftig „konzentriert“ an einem Ort unterzubringen. Geh bitte, das haben wir doch schon mal irgendwo gehört?

Der heftigen Kritik an dieser Formulierung entgegnete Kickl jedenfalls, er habe „keinerlei Provokation“ beabsichtigt. Das muss man ihm natürlich glauben, schließlich wäre dergleichen vollkommen abwegig für ihn als lang gedienter Scharfmacher und oberster Wahlkampfspruchtexter der österreichischen Rechtspopulisten. Auch in der politischen Sprache spielt der Code (deutsche Aussprache laut Wikipedia, nun ja: [ko:t]) eben zuweilen eine unrühmliche Rolle.

Dann doch lieber Amerika. Die New York Times wiederum empfahl ihren Lesern vorgestern in ihrer begehrten Reihe „52 Places To Go in 2018“ eine Reise nach, ich kann es kaum fassen: Niedersachsen. Und vielleicht sehen wir dort ja schon bald Donald Trump mit einem besonders schönen Klorollenhut auf dem Kopf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Dem Guardian-Journalisten Stephen Burgen, Verfasser eines epochalen Werks über das Fluchverhalten der Europäer, ist die tiefschürfende Erkenntnis zu verdanken, dass kaum ein Volk so oft, grundsätzlich und gerne seinen Unmut via Faeces bekundet wie das Deutsche; die besagte Toilette, die ja der Betrachtung des Gegenstands dient, ist nur die logische Folge daraus. Eine weitere Folge ist der Umstand, dass jedes "Fuck" Robert des Niros mit dem Codewort synchonisiert wird, womit wir in Amerika wären, wo, wie wir wissen, normalerweise überhaupt nicht geflucht, sondern nur gebeept wird. Vielleicht wäre es des Gescheiteste, die Gedanken des Donald für sich selbst zu überbeepen - für eine JournalistIn aber wohl zuviel verlangt.

     

    P.S.: Als Ausnahme von der obigen Regel darf Bayern gelten, wo man bekanntlich gerne den Namen des Herrn und das, woran er genagelt war, unnütz führt.

  • Keinen Generalverdacht bitte!

  • Jaja - Autofahren in Bas Sax.

     

    "Der Klorollenhut ist ein besonders interessantes

    Beispiel für einen semiotischen Code.…"

     

    Schonn - aber ohne daneben den - aber si'cherdat - ;)

    Nickdackel - doch eher fragmentarisch - gell!

    &

    Vollklassiker - …+ Stumpenfahrer mit

    Gamsbart & Hosenträger an 180/190 D Benz.

    &

    (ps Einem Ondit zufolge - reden Ärzte der

    Flachschüssel vor Fallrohr - das Wort ~>

    Blut im Stuhl - erkennste so was leichter im Abort!)