piwik no script img

Kolumne Der Rote FadenForza Mussolini!

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Berlusconi ist der Wiedergänger des Duce, linke Lehrer haben mal wieder ihre ganz eigenen Sorgen, und der Tod bleibt ein mieser Hund.

Benito Mussolini im Kreise seiner Lieben 1938 in München. Bild: dpa

D as Überraschende am Verschwinden des Silvio B. ist ja weniger, dass es immer noch ein Abgang auf Raten ist. Frappierend ist die nicht wegzuschiebende historische Assoziation mit dem langsamen Ende eines seiner Vorgänger.

Auch der darf für sich in Anspruch nehmen, ein Ventennio, also 20 Jahre lang, die Geschicke Italiens bestimmt zu haben: Benito Mussolini. Auch der war von den eigenen Leuten verraten worden.

Und ganz wie Silvio nun die ursprünglich kriminelle und sehr erfolgreiche Vereinigung Forza Italia wiederzubeleben versucht, so kehrte auch Benito für ein paar letzte Monate zu seinen angeblichen Wurzeln zurück, mit der „Repubblica Sociale Italiana“. Regierungssitz war am schönen Gardasee; und von dort aus stifteten er und seine Kameraden dann noch jede Menge Unheil.

Gruselig wird es, wenn man bedenkt, dass Predappio, der Geburtsort des schließlich von Partisanen hingerichteten Duce, noch heute ein vielbesuchter Wallfahrtsort ist, an dem man jedes nur denkbare Gadget mit seinem Konterfei käuflich erwerben kann und Schwachköpfe aller Länder die Hand vor seiner Büste zum Gruß erheben.

Berlusconi trägt Schwarz

Die lombardische Gemeinde Arcore, wo Berlusconi seinen Landsitz hat, darf also hoffnungsfroh in die Zukunft sehen - ganz im Gegensatz zum Rest Italiens.

Berlusconi übrigens trägt in letzter Zeit wieder verstärkt Schwarz. Kommt nun also der Faschismus wieder? Nein. Gegen die mut- und konzeptlose italienische Linke reichte schon immer die populistische Begabung Silvios, genügten sein Geld und die skrupellosen Technokraten, die ihm dienten, weil sie von der Plünderung Italiens reichlich abbekamen.

Der böse Her Steiner

Die Linken haben eh immer spezielle Sorgen, sie haben gern das kleine Grundsätzliche wie ein Sandkorn im Auge statt das große Ganze im Blick.

Gerade läuft eine „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) Sturm gegen eine staatliche Schule in Hamburg, die Elemente der Waldorfpädagogik aufnehmen will.

Nun könnte man die Sache darauf zurückführen, dass der federführende Grundschullehrer André Sebastiani aus Bremen kommt – zwischen den beiden Hansestädten ist Stutenbissigkeit ja nichts Neues.

Sein Argument geht aber so: Es sei nicht möglich, nur die positiven Aspekte der Pädagogik Rudolf Steiners herauszupicken. „Ein bisschen Waldorf geht ebenso wenig wie ein bisschen schwanger.“

Das ist ein Argument, dessen auch ein Berlusconi sich nicht schämen bräuchte, der ja jeden, der ihn verurteilt, als Kommunisten und Kommunisten als Kinderfresser bezeichnet. Mit dem gleichen Muster könnte man jede fortschrittliche Erziehungsidee desavouieren, nach dem Motto, ein bisschen links gibt es nicht, das ist alles der gleiche Gulag.

Oder die Bücher des Pädagogikpapstes Hartmut von Hentig auf den Index setzen, weil sein Lebensgefährte der abscheuliche Gerold Becker war, der an der Odenwaldschule ganz unbehelligt von den GWUPs dieser Welt Kinder vergewaltigte.

Ungetauft seinen Namen nicht tanzen

Eines meiner Kinder ist in einem katholischen Krankenhaus zur Welt gekommen. Eine Missionierung fand weder während noch im Anschluss an die Entbindung statt, das Kind ist bis heute ungetauft, besucht eine Waldorfschule und kann seinen Namen immer noch nicht tanzen.

Lehrer und Arzt sind Jobs, die man gut oder schlecht machen kann – und wenn dabei Jesus oder der Hl. Steiner helfen: Sei’s drum.

Der Tod, der Hund

Und nun: Unser Papst! Unser Papst? Ja: „verletzt, schmerzend und schmutzig“ wünscht er sich die katholische Kirche in seiner Rundmail „Evangelii Gaudium“.

Mal davon abgesehen, dass Waldorfschüler hier an der Übersetzung scheitern, weil sie ja – Steiner! – eher Russisch als Latein lernen: Manifestiert sich hier nicht eine genuin linke Weltsicht, von wegen Erniedrigte und Beleidigte, Ketten sprengen und so weiter?

Vielleicht sollten wir am Sonntag mal in die Kirche gehen und aufmerksam hinhören, was von der Botschaft der Zentrale in der Diaspora ankommt.

Und dann ist da noch der nicht Wegzudiskutierende, der Tod: Schon am vergangenen Freitag ist Rainer Dambach gestorben, schwäbischer Bürgermeister der vorpommerschen Stadt Pasewalk, zu dessen zahlreichen Verdiensten es zählt, den Nazis im Nordosten das Leben auf eine ruhige, bewundernswert konsequente Art schwer gemacht zu haben.

Der Tod kam auch zu Peter Kurzeck, einem verwunschenen Prosadichter, einem freundlichen Mann, der sich ebenfalls nie hat beirren lassen, was seine Aufgabe im Leben sei.

Und auch Rudolf Lorenzen ist tot, ein deutscher Existenzialist, ein gnadenloser Romancier und begnadeter Tangotänzer. Sie fehlen, und Silvio bleibt. Aber wie der Zauberer Gandalf in „Der Herr der Ringe“ sagt: „Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • L
    lowandorder

    @ Andreas Lichte

     

    na bitte - jetzt wird´s ja vielleicht echt spannend;

     

    zumal Herr Waibel so feinsinnig textet:

    "....linke Lehrer haben mal wieder ihre ganz eigenen Sorgen, und der Tod bleibt ein mieser Hund...."

     

    ja - und Rassisten soll man auch Rassisten nennen;

    oder you ca`nt get the cake and eat the cake.

  • @ Ambros Waibel

     

    Sie schreiben im Zusammenhang mit der Waldorfschule: "Mit dem gleichen Muster könnte man jede fortschrittliche Erziehungsidee desavouieren ..."

     

    Halten Sie die Waldorfpädagogik etwa für eine "fortschrittliche Erziehungsidee"?

     

    Als Erst-Information empfehle ich Ihnen das "Waldorfschulen Bullshit-Bingo" des ehemaligen Waldorfschülers Lukas Böhnlein:

     

    http://www.ruhrbarone.de/waldorfschulen-bullshit-bingo-waldorfsprech-fuer-bildungssenator-ties-rabe/

  • R
    ridicule

    Danke - für das Foto in der e-taz;

    immer wieder eindrucksvoll:

    gravitätisch die Hände vorm Sack:

    Hitler - Mussolini nicht.

     

    Diese vieldeutige

    - uns heute immer noch so gewohnte - gestische Haltung ist

    - in einem Film überzeugend dokumentiert (Titel?) -

     

    erst mit dem aufkommenden Nationalsozialismus entstanden

    und - hat das 1000jährige überlebt;

    angereichert mit der immer wieder gern genommenen

    FDJ-Winkelement-Variante der Fingerrautehände.

     

    Kurz - das Devote als falsefingering ist ungebrochen unter uns.

  • R
    reblek

    "Eine Missionierung fand weder während noch im Anschluss an die Entbindung statt..." - "während die Entbindung"?

  • Dafür werden Sie bezahlt, Herr Waibel?

    Der Vergleich Mussolini - Berlusconi ist ein bißchen arg einfallslos, meinen Sie nicht?

  • "...das Kind ist bis heute ungetauft, besucht eine Waldorfschule und kann seinen Namen immer noch nicht tanzen." Dafür kann Ihr Kind bestimmt Tassen flechten und Körbe töpfern.

    • @anteater:

      Kann man denn auch kommentieren ohne zu "antworten"? Also: dies ist ein eigenstaendiger Kommentar und keine Antwort auf Anteaters unsinnigen Beitrag.

       

      Herr Waibel, mir hat Ihr Artikel gut gefallen. Einzig das Wort "zu" habe ich vermisst in dem Satz "Das ist ein Argument, dessen auch ein Berlusconi sich nicht schämen bräuchte...". Denn: wer "brauchen" gebraucht, ohne "zu" zu gebrauchen, braucht niemals "brauchen" zu gebrauchen.

       

      Dem Tolkien Zitat wuerde ich gerne eines von Bierman zugesellen: "wie nah' sind uns manche Tote und wie tot sind uns manche, die leben".

       

      Wie gesagt: ein schoener Artikel, danke.