Kolumne Besser: Wenn Nazis tanzen

Neuer deutscher Widerstand, zweitausendvürzehn: Über einen Großmeister des Naziraps.

„Als Letzte in die Mannschaft gewählt werden“: Nazirapper und Nazibarde bei der Arbeit. Tabelle: youtube.com/user/TheRammbock

Nazis sind dumm. So dumm, dass sie seit 1945 keine neue Idee mehr hatten. Stattdessen klauen sie wie die Raben und bedienen sich in Ermangelung eigener Einfälle bei anderen Leuten. Das gilt für ideologische Versatzstücke und den Kleidungsstil, das gilt aber auch für die Musik, seit die Nazis Ende der siebziger Jahre den Punk für sich entdeckten. Und seit einiger Zeit gibt es sogar das: Nazirap. Das sagt einerseits viel über die Tauglichkeit des HipHop als universeller Musiksprache (sehr tauglich) und ebenso viel über das Rhythmusgefühl der Nazis (sehr untauglich).

Einer der Großmeister des Naziraps heißt Patrick Killat, ein Berliner Nazi, der sich „Villain051“ nennt, ein Prachtexemplar von Herrenmensch. Ein Fettwanst mit schlechten Zähnen, der in seinen selbstgedrehten Videos im Campingplatzstil hüftsteif von einem Bein aufs andere tritt und dazu ungelenk mit den Armen wedelt. Wären diese Clips ohne Ton, man würde vermuten, es mit einem ostdeutschen Stützeempfänger zu tun zu haben, der ganz dringend auf die Toilette muss. Mit dem Ton aber stellt sich eine andere Frage. Mit Rainald Grebe formuliert: Wenn Nazis tanzen, wie soll man das nennen?

Den Clip „Für unsere Kinder“ hat Killat Anfang dieses Jahres vor der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf gedreht, vor dem im Sommer vergangenen Jahres ein Mob aus rassistischen Anwohnern und organisierten Rechtsextremisten herumlungerte und auf das seither immer wieder Anschläge verübt wurden.

In holprigen Reimen stammelt Killat Verse wie diesen: „Befreit euch von der Lüge, schnell / Brüder dieser Welt vereinigt euch / und Zion fällt. /Ihm geht es nicht mehr um Religion oder Volk. / Nein, er kommt über Nacht / und will nur euer Gold.“ Natürlich ist das antisemitischer Dreck. Aber vor allem ist es brüllend komisch, wenn MC Nazi singt: „Neuer deutscher Widerstand, zweitausendvürzöhn / Wir gehen auf die Straße / um das System zu stürzen.“ Dahinter posieren fahnenschwenkende Nazis vor der Eingangstür des Flüchtlingsheims.

Arme kleine Kinder

Und das ist nicht alles. Denn der Refrain ist nicht gerappt, den spielt auf seiner Klampfe ein Nazibarde, der sich R.A.W. nennt und mit bürgerlichem Namen vermutlich Ronny oder Rico heißt. „Das ist für unsere Kinder / sie sollen nicht leben in Ketten / ohne Angst vor dem was kommt / ohne Trään“, jault der Mann mit fleischigem Gesicht und umgedrehter Basecap in eine simple 3-Akkorde-Schunkelmelodie, die seit Hannes Wader und Reinhard Mey auch bei Linken beliebt ist.

Wie an dieser Stelle schon vor einiger Zeit stand: Die Kinder, die Kinder, die armen kleinen Kinder. Wer irgendeine Schikane im Sinn hat, ist gut beraten, sie mit dem Wohl von Kindern zu rechtfertigen. Warum sollten nicht auch Nazis auf diesen Trick kommen? Zumal ihre Kinder, wie jüngst ein Redner bei einer verhinderten NPD-Demonstration im Beisein von MC Vollhorst verkündete, „beim Schulsport als Letzte in die Mannschaft gewählt werden“.

Besser: Keine Flüchtlinge nach Hellersdorf schicken. Diese trostlose Gegend ist gut genug für Nazirapper, aber sonst keiner Menschenseele zuzumuten.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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