Kolumne Behelfsetikett: Aller guten Dinge sind dreizehn
Berlin bildet das Schlusslicht in Sachen Feiertage: nirgends sonst gibt es so wenige – nur neun. Alle anderen haben öfter frei. Sogar Brandenburg. Da geht noch mehr!
Jetzt im März würde sich zum Beispiel am 21. des Monats das Neujahrsfest der Iraner und Afghanen anbieten; auch die Kurden in aller Welt begehen dann Newroz. Oder der 31. März – christlicherseits Karsamstag: Da beginnt das Pessachfest und dauert bis zum 7. April. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten, also die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei. Allein im März ließe sich also locker der ein oder andere Tag finden, den Berlin zum allgemein gültigen, für alle Berliner geltenden, weil gesetzlichen Feiertag machen könnte.
In Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat sich indes Erstaunliches zugetragen. Die vier norddeutschen Bundesländer haben nur neun Feiertage. Alle anderen mehr. In Bayern sind es 13, im Saarland und in Baden-Württemberg zwölf. Selbst in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind es zehn, dort ist der Reformationstag, der 31. Oktober, schon länger ein freier Tag. Fällt der auf einen Wochentag, fallen viele Brandenburger in Berlin ein und shoppen. Denn die Berliner müssen am Reformationstag malochen. Berlins Feiertagskalender weist nur neun offizielle Feiertage aus.
Doch die Bewohner der Nordländer können frohlocken. Deren Regierungen hatten sich Anfang Februar auf eine gemeinsame Linie verständigt, um ihren Bürgern einen zusätzlichen freien Tag zu gönnen. Der bundeseinheitlich freie Reformationstag im Herbst 2017 – anlässlich des 500. Jubiläums der Reformation – hatte die Idee aufgebracht. Die Parlamente von Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein haben unlängst abgestimmt, der 31. Oktober ist nun ein gesetzlicher Feiertag. Nur in Niedersachsen dauert das noch etwas: Im April soll die Entscheidung fallen.
Und Berlin? Hat das Nachsehen. Hier bleibt es vorerst bei mickrigen neun Feiertagen. Berlin ist damit Schlusslicht. Das kann man getrost als Standortnachteil bezeichnen.
Da ist noch Hoffnung
Und niemand hat die Absicht, das zu ändern. Zumindest nicht von offizieller Seite. Ende Februar hieß es aus der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres, dass es „im Senat keine Pläne gibt, einen neuen Feiertag in Berlin einzuführen“, wie ein Sprecher der Innenverwaltung auf meine Anfrage hin mitteilte. „Wir verfolgen gleichwohl die Debatten darüber in den anderen Ländern.“ Immerhin, da ist noch Hoffnung.
Ein paar Tage später, am 4. März, blies die BZ am Sonntag in die Welt, dass es in Berlin einen neuen Feiertag geben soll. Aber nur einmalig. Am 8. Mai 2020 – zum 75. Jubiläum der Befreiung vom Nationalsozialismus. Doch angeblich würde „in der Koalition diskutiert, ob der 8. Mai nicht dauerhaft freibleiben sollte“.
Den 8. Mai als Feiertag will Katina Schubert, die Parteichefin der Linken, schon „mit den Landesvorsitzenden der Grünen und SPD-Chef Michael Müller verabredet“ haben, wie sie der BZ sagte. Außerdem gebe es in der Koalition „auch Überlegungen, grundsätzlich einen zehnten Feiertag in der Hauptstadt zu installieren“. Begründung: siehe oben. Berlin hat einfach zu wenige davon. Meine Rede.
„Ein neuer Berliner Feiertag wäre auf jeden Fall säkular“, sagte Udo Wolf, der Fraktionschef der Linken, der BZ. Als Alternative zum Tag der Befreiung wurde in der Linken auch der Weltkindertag, also der 1. Juni, diskutiert.
Warum nicht 13 wie in Bayern?
Mehr Vorschläge gefällig? Der 27. Januar, der Holocaust-Gedenktag, wäre ebenfalls ein sinnfälliger Feiertag, finde ich. Und auch der Weltfrauentag am 8. März. Oder der 9. November – was für ein geschichtsträchtiger Tag.
Um dem christlichen Überhang an Feiertagen bewusst etwas entgegenzusetzen, könnte sich Berlin natürlich bei anderen Religionen und Kulturen bedienen, wir haben davon ja genug in der Stadt. Im April zum Beispiel feiern am 13. beziehungsweise 14. des Monats die Thai-Völker und die Religionsgemeinschaft der Sikh ihr Neujahrsfest. Es wimmelt übers Jahr verteilt von solchen Daten. Es dürften in Berlin ja auch mehr als ein zusätzlicher Feiertag sein. Warum nicht 13 wie in Bayern?
Nun, für die Einführung eines neuen Feiertages müsste in Berlin das Gesetz über Sonn- und Feiertage geändert werden, wie der Sprecher der Innenverwaltung mir erklärte. Das ist kein Ding der Unmöglichkeit. „Dies ist Angelegenheit des Abgeordnetenhauses.“ Also bitte übernehmen! Und einfach mal einen Blick in den Interkulturellen Kalender 2018 werfen, den die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales seit vielen Jahren herausgibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“