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Kolumne BehelfsetikettEngel sind auch nur Menschen

Kolumne
von Andreas Hergeth

Von Vögeln und anderen Himmelserscheinungen: Ein windiger Samstag in Berlin.

Lassen sich auch vom Wind nicht stören: zwei Spatzen in Berlin. Foto: ap

D iesmal schreibe ich eine Kolumne über Porno, denke ich mir, schließlich musste ich mich beruflich acht Jahre lang auch damit herumschlagen. Ich setze mich zum Schreiben an den Rechner – und dann kommt natürlich etwas dazwischen: eine Horde kleiner Vögeln, die meinen Balkon in Beschlag nehmen. Okay, schreibe ich eben eine Kolumne über niedliche Tiere. Das passt wunderbar zu unserer tierischen Sommerserie, die immer dienstags in der taz erscheint.

Auf dem Balkon blühen derzeit die Sonnenblumen vor sich her, lauter alte Sorten. Auf die Sonnenblumenkerne haben es die kleinen Viecher abgesehen und machen einen Höllenlärm dabei. Sie fühlen sich sicher und unbeobachtet. Dabei war die Balkontür sperr­angel­weit auf, aber eine durchsichtige Gaze, eine Art Fliegenschutz, ließ mich alles gut sehen und hören. Ich komme mir wie ein richtiger Tierbeobachter vor. Mir gelingen sogar Filmaufnahmen. Sie dienen der Identifizierung dieser Frechspatzen.

Die Gruppe aus vielleicht acht bis zehn Tieren stellt sich als Wandertrupp des Stieglitzes heraus, auch Distelfink genannt. Der Stieglitz ist ein Futterspezialist, lese ich im Internet, und mag halbreife und reife Sämereien von Stauden, Wiesenpflanzen und Bäumen und eben auch Sonnenblumen. Der Stieglitz sucht die Umgebung nach Nahrung und Futter ab – immer in der Gruppe, da Sämereien räumlich und zeitlich ungleichmäßig verteilt sind, lautet die Erklärung. Ich hatte also gar nichts Ungewöhnliches beobachtet. Dennoch war es etwas Besonderes für mich.

Dann wird’s überirdisch

Um diese Kolumne weiter mit Tierischen zu füllen, bot sich das Wochenende an. Mein Mann und ich sind zum Grillen in einem Garten am Stadtrand eingeladen. Den „Zug der Liebe“ hinter uns lassend, wurde es jedoch überhaupt nicht tierisch, sondern – überirdisch. Aus dem Supermarkt kurz vor unserem Ziel kommt eine kleine Frau auf uns zu, die irgendwie seltsam, ja verstrahlt aussieht, wie nicht von dieser Welt. Sie lächelt. Das ist für Berliner Verhältnisse ja schon ungewöhnlich genug, doch sie spricht uns auch noch an. Sie wolle nur mal etwas fragen und ob das okay wäre ...

Wir sind spät dran, lassen uns aber auf ein kurzes Gespräch ein. Die Dame holt aus: Sie würde ja so gern zum CSD gehen, denn da würde sie sich sehr wohlfühlen, wie immer unter schwulen Männern, denn sie selbst sei asexuell, Psychopharmaka hät­ten sie dazu gemacht, und Schwu­le würden sie in Ruhe lassen. „Seid ihr Schwule?“, fragt sie abschließend.

Das bejahen wir, wir haben nichts zu leugnen. Daraufhin drückt sie uns die Hand und sagt – es fühlt sich wie ein Ritterschlag an, ach was: wie eine Segnung: „Ihr seid Engel! Denn Schwule sind Engel!“ Sie lächelt noch einmal und verschwindet.

Dann Bratwurst und Aubergine vom Grill. Den Nachmittag über – Samstag ist es stürmisch und im Stadtzentrum tobt immer noch der Zug der Liebe – zeigt sich im Garten kein einziges Tier, nicht mal ein Vogel. Die sind eben alle schlauer als wir Menschen und bleiben bei Sturm zu Hause.

Am Abend dann, der Wind hat sich längst gelegt, treiben es zwei Spatzen wild miteinander auf dem Balkonsims. Ein Vogelporno, immerhin.

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