Kolumne Ball und die Welt: Das Sandaffen-Problem
Die Elf der Vereinigten Arabischen Emirate trägt den Spitzenamen „Al Abyad“. Der Asiatische Fußballverband patzte beim Übersetzen, eklatant!
A l Abyad ist der Spitzname der Nationalmannschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). So steht es auf der Website des Asiatischen Fußballverbandes AFC, leicht versteckt in einem Spielbericht. Die Übersetzung wurde gleich mitgeliefert: „Sandaffen“.
Nein, so steht es da nicht mehr. Aber es stand da, und nun regen sich die Funktionäre aus VAE auf. Zu Recht. Denn dass „Sandaffen“ rassistisch ist, liegt auf dem flachen Wüstenboden. Und der AFC hat sich sehr originell versucht zu entschuldigen: Schuld sei Wikipedia.
Auf der englischsprachigen Seite des Onlinelexikons war tatsächlich für eine Weile als Übersetzung von Al Abyad (eigentlich: die Weißen, denn die Mannschaft spielt zu Hause in weißen Trikots) der Begriff „Sand Monkeys“ angeboten worden. Der Fehler wurde bald behoben, mittlerweile kann man da lesen, er sei „das indirekte Ergebnis von Vandalismus gegen den Wikipedia-Artikel über das Team“.
48, ist freier Autor der taz, mehr Infos auf www.martinkrauss.de
Yusuf Abdullah, den Generalsekretär des VAE-Fußballs, beruhigt diese Entschuldigung nicht. „Was passiert ist, ist nicht zu akzeptieren und beweist Respektlosigkeit“, erklärt er. Dass der AFC in Malaysia sitzt (deutsche Zuordnung: Fernost), die VAE hingegen im arabischen Raum (deutsche Zuordnung: Nahost), belege, so Abdullah, „die rassistische Haltung einiger AFC-Offiziellen des östlichen Teils des asiatischen Kontinents gegenüber den Ländern in den westlichen Regionen“.
Wie kompliziert die Binnenverhältnisse im asiatischen Fußball sind, mag dahingestellt sein, aber mit der Diagnose von Respektlosigkeit und Rassismus hat der Funktionär schlicht recht. Und irgendwelche relativierenden Sprüche, die Welt des Fußballs sei nun mal rau und derb, sollte man schon deswegen nicht stehen lassen, weil sich das Wort „Sandaffen“ ja nicht schlechtem Fanhumor aus der Kurve verdankt, sondern als Eintrag auf der Website des Asiatischen Fußballverbandes fand.
Dass es dort stand, ist aber auch ein Beweis für die sehr dumme und sehr verbreitete Bereitschaft, Wikipedia alles zu glauben. Wenn man diese bei Journalisten aller Redaktionen und Regionen verbreitete Sitte aber als Ursache für den „Sandaffen“-Skandal benennt, stellt man automatisch die Arbeitsbedingungen von Fußballschreibern infrage. Womöglich müsste, wer von Journalisten bessere, also über Wikipedia hinausgehende Recherche fordert, ihnen mehr Geld zahlen und mehr Zeit lassen.
Das Dilemma ist dem AFC, der ja die Website betreibt, bewusst. Ein AFC-Sprecher sagte, der Autor – es war dessen erster Arbeitstag – sei gerügt worden und der Eintrag entfernt, mehr könne man nicht machen. „Es war ein wirklich schlechter Tag für ihn, und er wurde durch seinen Fehler schon genügend beschämt. Aber das war ein echter Fehler und hat mit Rassismus nichts zu tun.“
Ähnlich argumentiert Jesse Fink, Kolumnist von ESPN-Star, dem amerikanischen Sportfernsehen. „Bei der Arbeit eines Tischredakteurs muss man sich jeden Tag ständig entscheiden, da man kann nicht immer die normalen Standards des Faktenchecks anwenden“, schreibt Fink. „Wer auch immer den Fehler gemacht hat, er sollte nicht um seinen Job oder um seinen Schlaf gebracht werden. Jeder macht Fehler. Das gehört zum Menschen.“
Abgesehen davon, dass es nicht menschlich, allzu menschlich ist, Araber als Sandaffen zu bezeichnen: Es entspricht auch nicht einem wünschenswerten menschlichen Zusammenleben, im Journalismus Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu verantworten, in denen aus Zeitdruck und schlechter Bezahlung nicht mal mehr darüber nachgedacht werden kann, was man da gerade publiziert.
Diesen Copy-and-paste-Journalismus, der aus fremden Zeitungen und Google-Translater alles Mögliche klaut und Onlinediensten wie Wikipedia alles glaubt, nur um „Content“ für „Klickzahlen“ zu „generieren“, wie es dann heißt, mag nicht die Ursache für Rassismus sein. Aber er ist definitiv eine Ursache dafür, wenn Rassismus in den Medien nicht mehr erkannt, nicht mehr beim Namen genannt und nicht mehr bekämpft wird.
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