Kolumne B-Note: Männer und Menschen
Fifa-Präsident Sepp Blatter fühlt sich „so frei wie noch nie“. Das kann nur vom Frauenfußball-Gucken kommen. Oder?
W as macht eigentlich Sepp Blatter? Der sitzt schön am Zürichsee und lässt die Frauen-Weltmeisterschaft in Kanada ein gutes Turnier sein. Der Noch-Fifa-Chef wird nicht nach Nordamerika reisen. Nicht mal zum Finale will er rüberjetten nach Vancouver. Ist vielleicht auch besser so, denn der Frauenfußball soll ja aus der bösen Fifa etwas Besseres machen: „Der Frauenfußball ist eine sehr reine Form des Fußballs. Ich denke, er kann Licht durch die dunklen Wolken bringen, die über dem Spiel hängen“, hat der kanadische Verbandschef Victor Montagliani dieser Tage gedichtet.
Die Frauen müssen es mal wieder richten. Die Männer sind zu doof dafür. Das kennt man ja auch aus der taz. Da sagte einst eine Chefredakteurin in morgendlicher Runde, taz-Jungredakteure kämen als „Männer“ zu dieser wunderbaren kleinen Zeitung – und verließen sie als „Menschen“. So ähnlich wird es bestimmt auch in Kanada sein. Das Turnier beginnt als „Fifa-WM“ und endet als „Fest des Fußballs“. Wie schön.
Aber noch sind viele Frauen, wie man hört, skeptisch, ob sich diese Metamorphose wirklich vollzieht und ob nicht die Finsterlinge aus Zürich irgendwas aushecken. Am taz-Tippspiel zum Beispiel ist diese reservierte Haltung der Fußballfreundinnen gut abzulesen. Dem Aufruf der Sportredaktion, sich an diesem Brauch zu beteiligen, folgten eh nur 11 von über 200 wackeren Mitarbeitern dieser wunderbaren kleinen Zeitung. Es sind aber nur zwei Frauen darunter. Und die frauenbewegten Redakteurinnen des Blattes fehlen gänzlich. Hm. Immerhin ist ein aktueller und ein ehemaliger Chefredakteur dabei.
Es ist aber auch schwierig, so richtig in dieses Turnier hineinzukommen, also eventmäßig. Die Spiele der Deutschen um 22 Uhr finden noch ihr Publikum, zum Auftakt waren es in der Spitze 5,68 Millionen Männer und Menschen, die zuguckten, wie das DFB-Team 10:0 gegen die Elfenbeinküste gewann. Aber nachts, wenn die anderen Teams ranmüssen, verebbt das Interesse doch gewaltig. Das Match USA gegen Australien wollten nur etwa 350.000 Leute sehen. Noch weniger schauten Neuseeland gegen die Niederlande.
Ob Blatter auch nachts einschaltet? Die Laune des vitalen Fußballgreises soll in diesen Tagen jedenfalls bestens sein. Seine Tochter ließ mitteilen: „Meinem Vater geht es wirklich richtig gut. Er fühlt sich frei wie nie in seinem Leben.“ Das kommt bestimmt auch vom Frauenfußball-Gucken.
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