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Kolumne American PieEin Spiel und viele Todesfälle

Kolumne
von Thomas Winkler

Die schwere Kopfverletzung von Matt Shoemaker, dem Pitcher der Los Angeles Angels, erinnert an die Gefahren eines so harmlos anmutenden Sports.

Matt Shoemaker zog sich im Spiel gegen die Seattle Mariners eine Schädelfraktur zu Foto: ap

E s war ein böser Anblick. Der Ball hatte den Schläger mit 169 Stundenkilometern verlassen, bevor er knapp 18 Meter später Matt Shoemakers rechte Kopfseite traf. Der Pitcher der Los Angeles Angels hatte sich instinktiv weggeduckt und so Schlimmeres vermieden. Shoemaker ging zu Boden und blieb erst einmal liegen, schnell sammelte sich ein Pulk aus besorgten Mannschaftskollegen, Betreuern und Gegenspielern von den Seattle Mariners um ihn. Es dauerte ein paar Minuten, dann konnte Shoemaker, gestützt auf zwei Helfer, das Feld verlassen.

„Blut kam aus seiner Nase“, berichtete sein Trainer Mike Scioscia nach dem Spiel, „aber zum Glück war er die ganze Zeit bei Bewusstsein“. Im Krankenhaus wurde ein leichter Schädelbruch diagnostiziert. Kyle Seager, von dessen Schläger der verhängnisvolle Ball geflogen kam, war entsetzt: „Ich dachte nur: Zum Teufel mit Baseball! Ich habe mir nur noch Sorgen um Matt gemacht. In solch einem Moment ist einem das doofe Spiel völlig egal.“

Matt Shoemaker ist glimpflich davongekommen, aber der Unfall vom vergangenen Sonntag war wieder einmal eine Erinnerung, dass „das doofe Spiel“ lange nicht so ungefährlich ist, wie es oft erscheint. Baseball-Profis sprechen gern davon, welch ein Glück sie haben, fürstlich dafür bezahlt zu werden, dass sie einem Spiel für Kinder nachgehen. Tatsächlich wirkt das actionarme, eher statische Baseball – vor allem verglichen mit dem großen Konkurrenten um die Gunst des US-amerikanischen Publikums, dem Football – wie aus der Zeit gefallen.

Allerdings: Die wenigen Eruptionen, die jenen langen, gemächlichen Fluss, den ein Baseballspiel darstellt, unterbrechen, die haben es in sich. Dabei sind nicht nur die Pitcher wie der 29-jährige Shoemaker gefährdet, deren eigener Wurf vom gegnerischen Schlagmann bisweilen auf direktem Wege zurückbefördert wird.

Verlust eines Auges

Auch die Schlagmänner selbst sind bedroht: Sie tragen, wenn sie am Schlag sind, Helme, weil die besten Werfer den Ball auf mehr als 150 Stundenkilometer beschleunigen können. Solche Schutzmaßnahmen waren 1920 allerdings noch unbekannt: Damals starb ein gewisser Ray Chapman von den Cleveland Indians, der bis heute der einzige Profi geblieben ist, der in den Major Leagues einem Baseball zum Opfer gefallen ist.

Aber das angeblich so gemütliche Baseball ist nicht nur für die Spieler gefährlich, sondern auch für die Zuschauer. Bei jedem Spiel landen vielleicht 40, 50 hart geschlagene Bälle in den Rängen. Eine Studie ergab, dass jede Saison in den Major Leagues etwa 2.000 Zuschauer von solchen Bällen verletzt werden. Die meisten nur leicht, aber es gibt Anhänger, die haben ihre Liebe zu dem Sport mit dem Verlust eines Auges bezahlt.

Ein Baseball wiegt zwar keine 150 Gramm, ist aber sehr viel härter als ein Tennisball. So hart, dass 1970 im Stadion der Los Angeles Dodgers der 14-jährige Alan Fish starb, nachdem er an der linken Schläfe getroffen worden war.

Endlos makaber

Aber der unglückliche lan Fish ist bis heute das einzige Fan-Todesopfer in 150 Jahren Major Leagues geblieben. In den großen Ligen gibt es längst Fangzäune vor den besonders gefährdeten Sitzreihen, auf der Eintrittskarten wird der Besucher gewarnt vor den Verletzungsgefahren, und Stadiondurchsagen weisen darauf hin, das Spielgeschehen immer im Auge zu behalten. Richtig gefährlich wird es in den niedrigeren Ligen oder im Schulsport. Die beiden Baseball-­Historiker Robert M. Gorman und David Weeks haben sich in ihrem 2008 erschienenen Buch „Death at the Ballpark“ den Todesfällen aus nahezu 150 Jahren Baseball gewidmet.

Gorman und Weeks haben sich durch die Archive von Provinzzeitungen gewühlt und eine schier endlose makabre Abfolge oft profaner Unfälle zusammengestellt. Manche Tragödie aber sticht heraus aus der trockenen Auflistung: 1950 spielt in Houston ein Siebenjähriger mit seinem Vater im eigenen Garten Baseball. Der Junge wirft, der Vater schlägt, der Ball trifft das Kind knapp über dem Herzen. Der Sohn stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus.

Genau 850 Todesfälle im Zusammenhang mit Baseball listen Gorman und Weeks in ihrer Fleißarbeit auf. Kurz nach der Buchveröffentlichung hatten Leser allerdings 50 weitere tödliche Unfälle gemeldet, die den Autoren entgangen waren. Am Sonntag fehlten wohl nur ein paar Millimeter und Matt Shoemaker wäre auch ein Kandidat für die nächste Ausgabe von „Death at the Ballpark“ geworden.

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