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Kolumne American PieEhernes Gesetz

Kolumne
von Thomas Winkler

Nicht zum ersten Mal zerbröseln die in der regulären Saison überragenden Offensiv-Reihen in den NFL-Playoffs an den besten Verteidigungsformationen.

Baltimore stellt traditionell eine rabiate Verteidigung. Bild: reuters

T orrey Smith sprach eine große Wahrheit gelassen aus. "Ich glaube, ich bin auf der sicheren Seite, wenn ich behaupte, dass wir Punkte erzielen müssen, um das Spiel gewinnen zu können", meinte der Profi von den Baltimore Ravens. Ein Allgemeinplatz, könnte man meinen, aber einer, der vor dem NFL-Halbfinale am Sonntag gegen die New England Patriots eine unerwartete Aktualität gewonnen hat.

Denn in den bisherigen Playoffs haben sich vor allem defensivstarke Mannschaften durchgesetzt. Völlig normal, könnte man meinen. Denn wenn's ans Eingemachte geht, also um den Titel, gilt sie eben doch noch, die eherne Weisheit des nordamerikanischen Sports: "Offense wins games, but defense wins championships." Die Redensart hat keinen historisch verbürgten Urheber, dafür aber eine eherne Kraft wie das Herberger'sche Diktum vom Ball, der rund ist.

Doch wie Wissenschaftler festgestellt haben, dass der Ball mitnichten vollkommen rund ist, wird auch der Spruch von der Offensive, die einzelne Spiele gewinnt, und der Verteidigung, mit der man die Titel einfährt, immer mal wieder widerlegt. Im vergangenen Jahr gewannen die Green Bay Packers die Super Bowl mit einem überragenden Angriff um Quarterback Aaron Rodgers und einer mittelmäßigen Verteidigung.

Bild: privat
THOMAS WINKLER

ist Autor der taz.

In diesem Jahr aber scheiterten die Packers an der Titelverteidigung - und an dem bislang noch nicht vollbrachten Kunststück, mit der statistisch besten Offense und der schlechtesten Defense das Endspiel zu erreichen. Die 20:37-Pleite gegen die New York Giants am Sonntag war ernüchternd.

Opfer alter Weisheit

Doch die Packers waren nicht das einzige Opfer der alten Weisheit: Auch die New Orleans Saints schieden aus, deren Quarterback Drew Brees in der regulären Saison alle verfügbaren Pass-Rekorde gebrochen hatte. Eine Woche davor waren die Detroit Lions und ihr junger, wurfgewaltiger Quarterback Matthew Stafford gescheitert. Aber so groß wie in diesem Jahr war die Diskrepanz zwischen offensivem Feuerwerk in der normalen Saison und sportlichem Misserfolg in den Playoffs wohl noch nie. Drei Quarterbacks, Drew, Stafford und Tom Brady von den Patriots, erwarfen in dieser Spielzeit mehr als 5.000 Yards.

Das war in der 92-jährigen Geschichte der NFL zuvor nur zwei Spielern gelungen, Brees im Jahr 2008 und Dan Marino 1984. Anderen Ausnahmespielmachern wie Joe Montana, Steve Young, Jim Kelly oder Peyton Manning, dem überragenden Quarterback des vergangenen Jahrzehnts, blieb es verwehrt, diese Schallmauer zu knacken.

Peytons kleiner Bruder Eli schrammte in der regulären Saison mit 4.933 Yards zwar nur knapp an der ominösen Marke vorbei, aber seine New York Giants leben eher von ihrer Verteidigung. Am Sonntag könnte es deshalb in San Francisco zu einer punktarmen Begegnung kommen, denn dort wartet die Verteidigung der 49ers, die zweitbeste der Liga, auf die Giants.

Gefürchteter ist momentan nur noch die Defense der Ravens. Baltimore, das am Sonntag gegen Tom Bradys notorisch offensive Patriots antreten muss, stellt traditionell eine rabiate Verteidigung. Aushängeschild des Teams ist Ray Lewis, der im Jahr 2000 wegen Mordes angeklagt, aber freigesprochen wurde und nur ein Jahr später zum herausragenden Akteur der Super Bowl gewählt wurde. Eine Ehre, auf die Verteidigungsspezialisten ähnliche Chancen haben wie die, vom Blitz getroffen zu werden.

Auch Torrey Smith weiß, was er an Lewis und dessen Kollegen von der Defensivabteilung hat: "Wir glauben an unsere Defense, sie ist der Fels, auf dem diese Mannschaft ruht." Aber wenn die Ravens die Super Bowl erreichen und die alte Weisheit wieder mal wahr werden lassen wollen, dann werden Wide Reveiver Smith und der Rest der Offense ein paar Punkte erzielen müssen.

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