Kolumne Alter Meister: Der leere Galgen
Der Berliner Landesverband der Partei „Die Partei“ hat Wahlplakate an Straßenlaternen befestigt. „Hier könnte ein Nazi hängen“, steht darauf.
E in Plakat hängt an einem Laternenpfahl, knapp über den Köpfen der Passanten, für alle sichtbar. Der Claim ist kurz. „Hier könnte ein Nazi hängen“, steht da in verdrehtem Werbesprech. Der Berliner Landesverband der Partei „Die Partei“ hat die Plakate am Wochenende vorgestellt. Im Internet erntete er dafür viel Kritik.
Dabei knüpft das Plakat nahtlos an eine opulente Tradition der Visualisierung des Hängens an – nur dass die Verschriftlichung der Partei eben als Platzhalter dient.
Das Hängen ist die älteste Hinrichtungsform. Sie ist nicht nur zweckmäßig, denn der Hängende schnürt sich mit dem Strick um den Hals durch das eigene Körpergewicht die Luft ab, sondern dient der Abschreckung, dem Augengrusel: Man soll die Gehängten sehen, sich ihr Bild einprägen. Darum wurden schon im Mittelalter auf Stadtplätzen Galgen errichtet.
Als Inszenierung für die Augen finden sich unzählige Hinrichtungsszenen in der Kunstgeschichte. Aus dem Mittelalter stammen vor allem Stiche vom sogenannten Judenhängen, etwas bekannter und diffiziler ist etwa Pieter Bruegels „Elster auf dem Galgen“ (auch hier, wie auf dem Wahlplakat, bleibt der Galgen leer).
Aber auch zum Bilderrepertoire des 20. Jahrhundert gehören die Erhängten. Es waren vor allem die Nazis, die das Hängen in die Moderne brachten – im Krieg in der Sowjetunion, aber auch die NS-Justiz ließ hängen.
Das sind die Bilder, die wir heute im Kopf haben: Reihen von aufgeknüpften Rotarmisten, LiebhaberInnen von Juden und WiderstandkämpferInnen mit „Bekennerplakat“ um den Hals entlang der Straßen.
Der Galgen, das Aufknüpfen, sind bildgewordener Nazi-Sprech. Eigentlich. Das freundliche Angebot, der Konjunktiv des Plakats, aber dreht die Drohung herum. Denn wir wissen: Hier wird kein Nazi hängen.
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