Kolumbianische Friedensverhandlungen: Die Mächtigsten diskutieren nicht mit
Bei der Debatte zur Agrarfrage im Rahmen des Friedensprozesses zwischen Regierung und Guerilla fehlt der Viehzüchterverband. Ohne ihn wird Frieden schwierig.
BUENOS AIRES taz | In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá hat das „Forum über eine integrierte Agrarentwicklungspolitik“ getagt, das von Regierung und der Farc-Guerilla als die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Friedensverhandlungen vereinbart worden war. Die 400 eingereichten Vorschläge werden von der UNO gebündelt und am 8. Januar 2013 in die Verhandlungen in Havanna eingebracht.
„Im Thema ,Grund und Boden' liegen die historischen Wurzeln des Konflikts in Kolumbien“, sagte UN-Vertreter Bruno Moro zum Auftakt. Die Hälfte des kolumbianischen Bodens befindet sich in den Händen von einem Prozent der Bevölkerung.
Die extreme Konzentration geht einher mit einem völlig verwahrlosten Kataster, das zudem die staatliche Besteuerung nahezu unmöglich macht. Die Regelung von Land und Landbesitz gilt denn auch allgemein als Schlüssel zu einem wie auch immer gearteten Friedensschluss.
Die über 1.200 TeilnehmerInnen waren eine heterogene Mischung aus VertreterInnen von Landarbeitergewerkschaften, Kleinbauern, Indigenen und Afrokolumbianern und Großagrariern.
Angemahnt wurden Ernährungssicherheit, der Schutz vor den Folgen von Freihandelsabkommen, Zugang zu Saatgut, Wasser und Gesundheitsversorgung. Deutliche Worte fand Olga Lucía Quintero von der Asociación Colombiana de Reservas Campesinas.
„Wir fordern nicht nur die Neuverteilung des Bodens, sondern auch eine Umverteilung des Reichtums“, sagte sie.
Nur bedingt verhandlungsbereit
„Agrarreform, Marktwirtschaft und Privateigentum stehen in Havanna nicht zur Verhandlung“, hielt der Vorsitzende des konservativen Agrarverbandes Sociedad de Agricultores de Colombia, Rafael Mejía, dagegen.
Das sei die klare Vorgabe der Regierung, so Mejía, nach dessen Angaben sein Verband rund drei Viertel des landwirtschaftlich erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes repräsentiert.
Sein konkreter Vorschlag beschränkt sich auf die Durchführung eines Zensus. Erst müsse eine Bestandsaufnahme gemacht werden, damit man wisse, worüber man rede und in welche Richtung. Damit liegt der er auf Regierungslinie.
Landwirtschaftsminister Juan Camilo Restrepo hatte die Durchführung eines Zensus kurz vor Forumsbeginn bereits angekündigt. Die letzten erhobenen Daten stammen von 1970, so der Minister.
Viehzüchter fehlen
Der große Abwesende war der mächtige Viehzüchterverband Fedegán. Es mache keinen Sinn, dass 1.200 Leute über ländliche Entwicklung reden, so Fedegán-Präsident José Félix Lafourie. Die Positionen sind zu „widersprüchlich“ und eine Diskussion darüber ist „zwecklos“.
Ohne die Viehzüchter ist eine Lösung des Konflikts allerdings tatsächlich schwer vorstellbar. Von den 51 Millionen Hektar landwirtschaftliche nutzbare Fläche werden 38,6 Millionen den Viehzüchtern zugerechnet.
„Die aggressive und feindliche Haltung der Viehzüchter ist offensichtlich“, kritisierte der Abgeordneter und Vizevorsitzender der Friedenskommission des Kongresses, Iván Cepeda. „Fedegán geht es darum, den Friedensprozess zu boykottieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana