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Kolping-Wohnheim in MünchenZimmer gesucht? Attest, bitte!

Wer sich auf einen Platz in einem Kolping-Wohnheim in München bewerben will, muss eine ärztliche Bescheinigung einreichen. Warum?

Ein Student bei der Wohnungssuche. Bild: dpa

Als Sebastian Müller*, Anfang 20, für seine Ausbildung nach München kam, stieß er bei der Wohnungssuche auf ein seltenes Schnäppchen: Ein kleines Zimmer in einem Wohnheim, spartanisch möbliert, mit eigenem Bad, Gemeinschaftsküche, in ruhiger Lage in Haidhausen, für knapp 300 Euro warm.

Der Betreiber des Wohnheims, die Katholische Zentralgesellenhausstiftung Kolpinghaus München, verlangte von den Interessenten einen ausgefüllten Fragebogen mit persönlichen Informationen, unter anderem zur Konfession sowie zur Mitgliedschaft bei der „Kolpingsfamilie“. Auch über „schulische, betriebliche, kirchliche oder verbandliche Referenzen“ sollte Auskunft erteilt werden. Diese Anforderungen konnte Müller noch nachvollziehen.

Dann stutze er. Eine „ärztliche Bescheinigung bzgl. ansteckender Krankheiten“ wurde verlangt. Das Attest durfte zum gewünschten Einzugsbeginn nicht älter als sechs Monate sein. Müller war irritiert. „Ich fand die Regelung seltsam. Ich kannte das nicht aus anderen Wohnheimen. Ich verstehe auch gar nicht, auf was die damit abzielen.“

Bekanntlich überträgt sich nicht jede Krankheit dadurch, dass sechs bis zwölf Personen dieselben Kochtöpfe nutzen. „Wer an einer unheilbaren, ansteckenden Krankheit wie beispielsweise HIV leidet, kann doch durch Vorsorge und Achtsamkeit schon verhindern, dass etwas Schlimmes passiert“, findet Müller. Die Frage nach einem Attest empfand er als einen Eingriff in die Privatsphäre.

Kolping-Dachverband weiß von nichts

Der Versuch, den Sinn der Regelung durch ein Gespräch mit dem Kolping-Dachverband zu klären, erwies sich als mühsam. Eine E-Mail an den Pressesprecher blieb unbeantwortet. Auch bei der Zentrale in Köln fühlte sich anfangs niemand zuständig.

Nach wiederholten Anfragen meldete sich Referent Matthias von Schlichtkrull-Guse: „Mir ist nicht bekannt, dass es eine Attestpflicht in Kolping- Jugendwohnheimen gibt, die bestätigt, dass der zukünftige Bewohner keine ansteckenden Krankheiten hat. Die Kolping-Jugendwohnheime sind rechtlich eigenständig und werden jeweils durch eine eigene Hausleitung geführt.“ Die nachfolgende Bitte um eine Stellungnahme, wie der Dachverband zu einer solchen Anforderung steht, wurde erneut nicht beantwortet.

Der Münchner Heimleiter Oliver Meyer, der neben dem Wohnheim in Haidhausen für ein weiteres in der Altstadt zuständig ist, entschärft auf Nachfrage die Regelung, die in beiden Häusern gilt: „Wir möchten einfach nur eine formlose Bestätigung vom Hausarzt, dass er es für unbedenklich hält, dass der Bewerber hier einzieht.“ Es müsse niemand extra zum Gesundheitsamt oder sich besonderen Untersuchungen nach dem Bundesseuchengesetz unterziehen. „Es geht uns auch wirklich nicht um HIV oder dergleichen, davon wollen wir gar nichts wissen.“

Über Änderung nachdenken

Die Heimleitung habe die Forderung nach einem Attest schon vor Jahren ins Bewerbungsformular aufgenommen, erläutert Meyer. Gefolgt sei man der Empfehlung des Referats für Umwelt und Gesundheit der Stadt München. „In unserem Kolpinghaus München Zentral leben 220 Menschen auf engem Raum. Die Bewohner teilen sich nicht nur die Küche, die meisten wohnen in Doppelzimmern. Die Duschen und Toiletten liegen im Gangbereich.“ Das Referat für Umwelt und Gesundheit habe der Heimleitung mitgeteilt, dass, da Sanitäranlagen und Küche gemeinsam genutzt würden, man ein solches Attest fordern könne, aber nicht müsse. „Wir haben uns damals dafür entschieden und die Regelung seitdem nicht mehr groß reflektiert."

Aus Gründen der Einheitlichkeit fordere man auch bei der Bewerbung für das Wohnheim in Haidhausen, das Attest. Dort gibt es allerdings nur Einzelzimmer mit eigenem Bad. Meyer will sich „demnächst auch mal mit anderen Einrichtungen austauschen“. Gegebenenfalls wolle man über Änderungen nachdenken.

Aus rechtlicher Sicht könne dem Heimleiter nicht untersagt werden, so ein Attest zu verlangen, erklärt Ulrich Ropertz, Volljurist und Pressesprecher des Deutschen Mieterbundes. „Es gibt zwar das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verbietet. Aber ob die Frage nach einer ansteckenden Krankheit praktisch wie eine Behinderung zu behandeln ist, ist mehr als fraglich.“

Er hält die Frage nach einem ärztlichen Attest für eine Unverschämtheit. „Der Bewerber ist natürlich rechtlich nicht gezwungen, ein Attest hinzuschicken. Aber eine Verweigerung würde die Wahrscheinlichkeit, einen Platz zu bekommen, nicht unbedingt erhöhen“, vermutet Ropertz.

Attest kein Ausschlusskriterium

Heimleiter Meyer versichert indes, dass die Forderung noch nie ausschlagebend für eine Ablehnung gewesen sei. „Die Atteste waren stets in Ordnung. Wenn jemand eine ernsthafte Infektionskrankheit hat, wird er schon selbst verantwortlich genug handeln, und sich nicht bei einer Gemeinschaftseinrichtung bewerben."

Außerdem sei das Attest kein Ausschlusskriterium, beteuert Meyer. „Wenn Bewerber unsicher sind, sind wir immer bereit die Rückfragen in einem Gespräch zu klären." Er gehe nicht davon aus, dass sich chronisch Kranke von der bloßen Anforderung eines Attests ausgeschlossen fühlen könnten. Jedoch lasse sich mit der Attestforderung leichter bemessen, wie wichtig dem Interessenten die Bewerbung sei.

Um günstig wohnen zu können, beugte sich auch Azubi Müller schließlich der Regelung und holte sich das kostenpflichtige Attest. Seine Bewerbung war erfolgreich. Nun kann er sich so viele Krankheiten einfangen, wie er möchte, denn regelmäßig erneuert werden, muss das Attest nicht.

*Name von der Redaktion geändert

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8 Kommentare

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  • Glaubt irgend jemand, dass ein Attestverweigerer das Zimmer mit eigenem Bad (!) bekommt?

     

    Ich nicht! Bei der Nachfrage...

  • "Jedoch lasse sich mit der Attestforderung leichter bemessen, wie wichtig dem Interessenten die Bewerbung sei."; Der alles erklärende Satz.

    Mal checken, wie tief der sich vor uns verbeugt. Kleiner Tip für Herrn: Befragung nach sex. Ausrichtung und Praktiken, dann ist der Bewerber auf den Knien.

  • 7G
    786 (Profil gelöscht)

    Ich kann schon das erste, die Frage nach der Konfession nicht nachvollziehen. Was nicht heißen soll, dass es mich wundern. Die Intolleranz, Diskrimminierung und Menschenfeindlichkeit der Kirche ist ja hinlänglich bekannt. Das ist nunmal das, was dieser Verein unter "Nächstenliebe" versteht.

  • Ich kann die Position des Vermieters gut nachvollziehen. Unter den gegebenen Bedingungen nimmt der Vermieter seine Fürsorge-Pflicht gegenüber den anderen Mietern wahr. In einer Zeit, in der Rücksichtlosigkeit die tragende Form des Umganges der Menschen geworden ist halte ich das Beispiel mindestens für anerkennenewert. Schließlich gibt es bei engem Zusammenleben von Menschen auch immer eine Ansteckungsgefahr von schimmeren Krankheiten als eine leichte, ausheilbare Grippe.

    Selbst das Betreten eines Krankenhauses stellt für den Besucher und für die Mitarbeiter und Kranken eine Gefährdung dar.

     

    Die Aufregung über zwischenmenschliche Rücksichtnahme ist wohl überzogen.

    • 3G
      3310 (Profil gelöscht)
      @Rainer Pakosch:

      Auch im Job teile ich mir die Toilette und die Küche mit anderen Leuten.

      Und im Fitnessstudio sogar die Dusche oder die Sauna?

      Oder soll ich demnächst mit tagesaktuellem Attest nachweisen, dass ich keinen Fusspilz habe, um ins Schwimmbad zu kommen oder ins Fittnessstudio gehen zu dürfen?

       

      Und was ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Und Taxen?

      Oder soll ein Erkältungs-Kranker dann die 112 rufen, um wo auch immer hinzukommen?

       

      Wo also sollen wir die Offenlegungsgrenze denn ziehen, wenn nicht bei NULL?

      .

      • @3310 (Profil gelöscht):

        Wenn's der, dem das Fitnessstudio GEHÖRT will, jep. Jeder kann sagen, wer in sein Haus kommt und wer nicht.

        • 3G
          3310 (Profil gelöscht)
          @ioannis:

          Falsch.

          Es gibt Gesetze, die vor dem Eindringen in die Privatsphäre schützen. Wenn ein Fitnessstudio ein Attest über ansteckende Krankheiten haben wollte, würden sich schnell Leute finden, die dagegen klagen. - Und solche Prozesse werden in schöner Regelmäßigkeit gewonnen.

          Dass den Heimbesitzer noch niemand verklagt hat, ist purer Zufall.

           

          Aber wer mit Desinfektionsmitteltüchelchen auf die Toilette geht und damit die Klobrille sauber wischt, bevor und nachdem er sich erleichtert hat, wird das nie verstehen ... und von solchen Howard-Hughes-Nachahmern gibt's reichlich - besonders bei den Dogmatikern in Kirchenorganisationen.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Wenn das alles ja nicht so gemeint ist und eigentlich auch kein Ausschlusskriterium ist, dann kann man es auch weglassen.