Kolonialverbrecher aus Hannover: Zu viel der Ehre
In Hannover gibt es Protest gegen ein Kolonialdenkmal für Carl Peters. Vergangene Versuche, es umzudeuten, sind Aktivist*innen zu wenig.
Wenn es nach dem Verein für interkulturelle Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit „Kargah“ und weiteren antirassistischen Organisationen geht, soll das ehemalige Carl-Peters-Denkmal aber auch in dieser Form zeitnah verschwinden. Der Verein versteht sich als Vermittler zwischen interkulturellen Themen, Politik und Zivilgesellschaft. Für Samstagnachmittag rufen sie zu einer Protestveranstaltung gegen das Denkmal auf – und fordern dessen Abriss. „Es ist nicht mehr zeitgemäß, so ein Denkmal im Stadtbild zu haben“, sagt Julian Mirabadi von Kargah zur taz.
Gerade bei Peters, der ganz klar ein Verbrecher gewesen sei, könne man die Vergangenheit nicht mit einer Umbenennung erledigen. Auch die künstlerische Entschärfung sei nur halbwegs gelungen – so verwende sie etwa den Begriff „Rasse“. Das Carl-Peters-Denkmal erinnere an die Unterdrückung von Schwarzen Menschen und People of Color. „Wir vertreten die Auffassung, dass das Denkmal in seiner jetzigen Form wegmuss“, so Mirabadi, wohin – in welchen Kontext –, da sei man offen.
„Mittlerweile ist man sich einig, dass Carl Peters zu den Kolonialverbrechern gehört, wenn nicht sogar einer der größten deutschen Kolonialverbrecher war“, sagt die Historikerin Marianne Bechhaus-Gerst, Professorin für Afrikanistik an der Uni Köln und Initiatorin von „Köln Postkolonial“. Der Beiname „Hänge-Peters“ deute bereits auf sein besonders blutiges Vorgehen hin. Auf Kiswahili sei er als „blutige Hand“ bezeichnet worden.
Aufklärung über Carl Peters
Er habe etwa eine afrikanische Geliebte hinrichten lassen, weil er sie mit einem anderen Mann erwischte, den er ebenfalls exekutieren lassen habe. „Peters war derjenige, der sich mit Gewalt und Betrug erste Gebiete in Ostafrika, in der späteren Kolonie Deutsch-Ostafrika, angeeignet hatte“, so Bechhaus-Gerst. Heute gibt es quer durchs Land Initiativen, die sich um Straßenumbenennungen bemühten.
1916 Benennung als Karl-Peters-Platz zu Ehren des Kolonialisten.
1935 Einweihung des Denkmals mit der Inschrift „Dem großen Niedersachsen Carl Peters, der Deutsch-Ostafrika für uns erwarb“.
1985 Antrag auf eine Mahntafel wird von der CDU abgelehnt.
1988 Anbringung der Mahntafel und Umwidmung in „Mahnmal gegen Kolonialismus“. Die Inschrift: „Dieses Denkmal wurde im Jahr 1935 durch die Nationalsozialisten errichtet. Es stand für Verherrlichung des Kolonialismus und des Herrenmenschentums. Uns aber ist es Mahnung – der Charta der Menschenrechte entsprechend –, uns einzusetzen für die Gleichberechtigung aller Menschen, Völker und Rassen.“
1989 Beschluss der Umbenennung des Platzes nach Friedensforscherin Bertha von Suttner.
1994 Umbenennung erfolgt gegen Widerstand von CDU, FDP und Republikanern.
2020 Debatte um Umbenennung infolge der „Black Lives Matter“-Bewegung.
Im Zentrum der Veranstaltung in Hannover sollen Diskussion und Aufklärung über Carl Peters stehen. In einem Gespräch wird die Journalistin und Aktivistin Hanna Legatis über seine Verbrechen aufklären. Zudem soll es eine Lesung vom Verein Afropäa geben, eine Poetry-Slam-Performance zu Rassismuserfahrungen und Musikprogramm. Die Veranstaltung am Bertha-von-Suttner-Platz soll auch nur der Startschuss einer größeren Kampagne sein. Mindestens 8.000 Unterschriften wollen die Aktivist*innen sammeln, damit der Rat der Stadt sich dem Thema annimmt.
Bei der Stadt heißt es, man befinde sich in einem internen Prozess, wie mit dem Denkmal weiter verfahren werden solle. „Unserer Meinung nach gehört das Denkmal abgerissen und entsorgt“, sagt etwa Andre Zingler, Ratsherr von Die Linke aus dem Bezirk Südstadt-Bult. Er nennt das Denkmal eine Zumutung, „die wir nicht aushalten müssen“.
Ganz anders sieht das die lokale CDU. Es gebe kein Carl-Peters-Mahnmal mehr in der Südstadt, sondern ein Mahnmal gegen Kolonialismus, meint Jesse Jeng, CDU-Vorsitzender der Südstadt und JU-Vorsitzender. Er sagt, er schätze die antirassistischen Ziele des Kargah-Vereins und stimme als selbst Betroffener mit diesen überein. Einen Abriss zu fordern, zeige aber eine bedenkliche Oberflächlichkeit.
Denkmal ins Museum?
Der Kolonialismus sei ohne Zweifel ein Schatten auf der deutschen Geschichte. Die aber durch Bildersturm vergessen zu machen, „birgt meines Erachtens die Gefahr der Verleugnung“. Die CDU im Bezirk könne sich vorstellen, die Aufklärungstafel am Denkmal noch umfangreicher zu gestalten. „Das Denkmal abzureißen, erweist dem Kampf gegen Rassismus dagegen einen Bärendienst“, so Jeng.
Es gehe nicht darum, Geschichte vergessen zu machen, sagt Julian Mirabadi von Kargah. Er sei auch nicht der Meinung, dass das Denkmal mit dem Vorschlaghammer abgerissen werden müsse. „Es könnte ja in einem Museum untergebracht werden“, so Mirabadi. Bei einem Workshop habe er die verstörten Gesichter der Teilnehmer*innen erlebt, die nichts von dem Denkmal wussten und fassungslos waren, wie so ein Ort der Huldigung noch stehen könnte.
Das Denkmal wird schon seit den 1980er-Jahren immer wieder diskutiert. Nachdem mit der 68er-Bewegung eine Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialverbrechen und der Person Peters begonnen hatte, wurde das Denkmal 1988 durch den damaligen Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) umgewidmet. Die Enthüllungsrede nutzte er, um sich auch gleich gegen die Umbenennung des Platzes zu positionieren.
Die angebrachte Mahntafel wurde damals von der CDU vehement abgelehnt. Als Folge einer auch juristischen Auseinandersetzung wurde 1989 vom Rat der Stadt Hannover beschlossen, dass bei Straßenumbenennungen künftig auf das Votum der Bürger*innen verzichtet werden könne, wenn der*die Namensgeber*in an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt war.
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