Kolonialgeschichtliche Überreste: Zurück nach Hawaii
Acht Schädel aus Hawaii hatte das Bremer Überseemuseum in seiner Sammlung. Nun wurden sie an eine hawaiianische Delegation übergeben.
Die Kiste mit den Schädeln? Das klingt so nüchtern. Es sind die „Iwi Kupuna“, die „Knochen der Vorfahren“, die Knochen von acht Hawaiianer*innen, die von europäischen Forschungsreisenden aus den Gräbern gestohlen wurden und nun dorthin zurück gebracht werden sollen, wo sie einst begraben wurden.
Damals sollten sie den Forscherdrang der Europäer zu Rassen- und Völkerkunde bereichern. Was genau man über ein paar heute schlecht katalogisierte Schädel herausfinden wollte, ist aus heutiger Sicht schwer zu verstehen. Wirklich wichtig ist das für Ayau aber auch nicht. Entscheidend ist: Es gab kein Einverständnis. „Wir wären heute nicht hier, wenn der Forscher gefragt hätte: ‚Can I take your grandma's head?‘ In Hawaii wurde niemand gefragt“, sagt er.
Seit den 70er Jahren gibt es im Bremer Überseemuseum Überlegungen dazu, inwiefern die Ausstellungen einen kolonialistischen Blick widerspiegeln. Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt gehörte 2013 zur Arbeitsgruppe „Human Remains“, die für den Deutschen Museumsbund Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten herausgegeben hat. Darin wird empfohlen, Angehörige zu suchen, den Sinn und Zweck der Knochen für die Museumssammlung und insbesondere in Ausstellungen zu hinterfragen, gegebenfalls ein Einverständnis einzuholen – oder die Überreste an die Herkunftsländer zurückgeben.
Bis zur Rückkehr hat es drei Jahre gedauert
Für Neuseeland (2006 und 2017) und Namibia (2018) hat das schon vor einigen Jahren geklappt. Für Hawaii ist es jetzt so weit – auch wenn die Empfehlungen selbst hier nicht ganz strikt eingehalten wurden. Nicht das Museum selbst war auf Hawaii zugegangen; die Delegation Hui Iwi Kuamo'o, die sich um die Rückkehr aller Ahnen nach Hawaii bemüht, hatte den ersten Schritt gemacht. An 200 Institutionen habe man sich gewandt, erzählt Ayau. Relativ unspezifisch erst einmal, mit der Frage: Ist da was? Liegen Vorfahren von uns in euren Lagern?
In Bremen kam die Anfrage 2019. Dass man ihm hier geantwortet habe, dass man in Europa heute bereit sei, zu verhandeln, sei ein großer Unterschied zu früher. Ayau beschäftigt sich seit 32 Jahren mit der Suche nach Ahnen.
Bis zur Rückkehr hat es nun noch einmal drei Jahre gedauert. Möglichst genau wollte man vor der Übergabe erforschen, wie die menschlichen Überreste nach Bremen gekommen waren, woher sie stammen. Die Ergebnisse sind nicht ganz so aufschlussreich wie erhofft. Es ist nicht viel bekannt über die Toten. Zwei Schädel hat der Gründer selbst, Hugo Schauinsland, im ersten Jahr nach der Gründung eingeliefert – ob er selbst dafür auf Hawaiis Friedhöfen Grabschändung begangen oder einen Friedhofsräuber bezahlt hat, weiß man nicht. Zwei weitere Schädel sind über andere Forschungsreisende, die restlichen vier über völlig unbekannte Wege nach Bremen gekommen.
Wenn die Schädel nun zurück nach Hawaii kommen, sollen sie dort nicht in ein anderes Museum wandern, sondern bestattet werden. Dort, wo sie einst bestattet wurden. Das Problem: Auch die Herkunft ist fraglich. Nur fünf Schädel sind beschriftet und können – mit Unsicherheiten – drei hawaiianischen Inseln zugordnet werden. Ayau sieht eine Lösung: „Wir haben bei uns Menschen, die mit den Ahnen kommunizieren können“, erklärt er. „Wir fragen sie einfach direkt.“
Ayau und das Ehepaar Caceres werden in den nächsten Tagen weiterreisen. In Göttingen, Jena, Berlin und schließlich Wien liegen noch Iwi Kupuna, die übergeben werden. 58 Ahnen kommen so am Ende zurück nach Hawaii.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe