Kohlekraftwerk soll legalisiert werden: Umweltschützer befürchten „Lex Eon“
Datteln IV ist fast fertig. Gegen Weiterbau und Betrieb des Eon-Kohlekraftwerks wurde erfolgreich geklagt. SPD, CDU und FDP wollen nun, dass es fertiggestellt wird.
DÜSSELDORF taz | Eine ganz große Koalition aus SPD, CDU und FDP will dem Energierkonzern Eon helfen, eine Milliardeninvestition zu retten: Alle drei Parteien machen Druck für einen Weiterbau des zu 80 Prozent fertigen Kohlekraftwerks Datteln IV – Eon hat in den riesigen Ofen, der jährlich 5,3 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Luft blasen soll, bereits mehr als 1,2 Milliarden Euro gesteckt.
Dabei hatte das NRW-Oberverwaltungsgericht den Bau schon 2009 gestoppt. Die Stadt Datteln habe bei der Genehmigung des Kohleblocks wenig auf das „Gefährdungspotenzial des Kraftwerks und den Schutz der Bevölkerung“ geachtet, urteilten die Richter – schließlich steht Datteln IV schlicht am falschen Ort: Das Kraftwerk wurde fünf Kilometer entfernt von der im Landesentwicklungsplan vorgesehenen Stelle gebaut, nur 500 Meter weiter stehen Wohnhäuser.
2012 legte das Gericht dann nach und gab dem Umweltverband BUND recht: Der hatte gegen „Bau und Betrieb“ des Blocks geklagt. Ein gültiger Bebauungsplan fehle, ein angrenzendes Naturschutzgebiet sei durch Schadstoffe wie Quecksilber oder Cadmium gefährdet, so das Gericht.
Trotzdem stimmten die Sozialdemokraten zusammen mit CDU und FDP am Freitag im Regionalverband Ruhrgebiet für ein „Zielabweichungsverfahren“. Damit ist Düsseldorf am Zug: Die Staatskanzlei von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft muss jetzt prüfen, ob der Landesentwicklungsplan nicht doch noch zugunsten Eons geändert werden kann.
Kein Neubau, kein Abriss
Am Dienstag versuchten Christdemokraten und Liberale prompt, die rot-grüne NRW-Koalition auch auf Landesebene zu spalten. Die Sozialdemokraten sollten doch die „breite parlamentarische Mehrheit“ nutzen und zusammen mit CDU und FDP im Landtag für den Weiterbau stimmen, warb der christdemokratische Energieexperte Josef Hovenjürgen – allerdings vergeblich.
Grüne wie Vize-Regierungschefin Sylvia Löhrmann oder Umweltminister Johannes Remmel zitieren seit Jahren den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Formelkompromiss: „Die Landesregierung baut keine Kraftwerke und reißt auch keine ab.“ Letztendlich müssten die Gerichte entscheiden.
Doch Umweltschützer halten das für vorgeschoben. „Wir haben gar keine Möglichkeit, gegen ein Zielabweichungsverfahren zu klagen“, sagt BUND-Sprecher Dirk Jansen. Nicht mehr als ein „Pseudo-Argument“ sei der Verweis auf Gerichtsentscheidungen: „Die politische Verantwortung für den Weiterbau von Datteln IV liegt glasklar bei der Landesregierung“, meint Jansen und warnt vor einer „Lex Eon“. Denn die Staatskanzlei will sich mit der Entscheidung zwar Zeit lassen – vor der Bundestagswahl sollen keine potenziellen Grünen-Wähler verärgert werden. Hinter den Kulissen rechnen Grüne aber damit, dass „Datteln irgendwann gebaut werden könnte“.
Um das zu verhindern, erhöht die Umweltbewegung schon heute ihren Druck: Am Dienstag startete das Kampagnennetzwerk Campact eine Online-Aktion gegen die Kraftwerksrettung. „Wir werden Rot-Grün deutlich machen, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Rechtsverdrehung für Klimakiller akzeptieren“, sagt Campact-Sprecherin Susanne Jacoby.
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