Kohle-Pläne in Indien: Protest im Ferienparadies Goa
Bewohner*innen und die Tourismusbranche Goas sind in Sorge: Die Regierung plant, die Region zum Umschlagplatz für den fossilen Brennstoff auszubauen.
Kohle spielt in Indien immer noch eine wichtige Rolle. Im Jahr 2017 entfielen 11,4 Prozent des globalen Kohleverbrauchs auf Indien, nach China ist das Land der zweitgrößte Kohlekonsument. Nun will Indien den Umschlag von Kokskohle (aus Kanada, Südafrika und Australien) im staatlichen Hafen von Goa erhöhen, um sie leichter zu Stahlunternehmen im südindischen Karnataka und ins westindische Maharashtra zu transportieren.
Die Erweiterung der Bahngleise, um den Brennstoff von Goa durch den Nationalpark in die Nachbarbundesstaaten zu schicken, ist nur ein Teil eines großen Plans. „Auf der Schiene, auf Straßen und auf dem Meer werden wir von Kohle umgeben sein“, warnt Jim Dias, der sich der Bewegung Save Mollem angeschlossen hat. Damit sind die Protestierenden sogar erfolgreich. Die Südwesteisenbahn hat den Gleisbau vorübergehend gestoppt.
Doch Mollem, ein 240 Quadratkilometer großer Nationalpark im Süden Goas, ist weiter in Gefahr. Das Schutzgebiet gehört zum Gebirgszug Westghats. Es ist der Lebensraum von Wildpflanzen, Tigern, Bachstelzen und einem uralten, artenreichen Wald. Hier entspringt der Fluss Mandovi, das Rückgrat der Landwirtschaft Goas und eine wichtige Trinkwasserquelle.
Nationalpark ist bedroht
Der Abbau von Eisenerz verschmutzt bereits das Gewässer. Nun soll der Nationalpark schrumpfen. AktivistInnen warnen: 70.000 Bäume und etwa 250 Hektar Wald sollen gerodet werden für den Ausbau der Eisenbahn, eine vierspurige Autobahn und die Verlegung einer neuen Hochspannungsleitung.
Das stört auch Cecilie Lee Rodrigues. Auf Instagram teilt die Tanzlehrerin Bilder, wie die Bagger bereits im Schutzgebiet am Werk sind. Sie macht wie viele andere mobil gegen die Zerstörung. „Viele Menschen, gerade ältere, kommen trotz Corona auf die Straße. Sie wollen nicht mitansehen, wie Goa kaputtgemacht wird“, sagt Rodrigues.
Damit legen sie sich mit einem multinationalen Riesen, dem indischen Versorger Adani, an, der ebenfalls das umstrittene Steinkohlebergwerk Carmichael in Australien erworben hat. Es war Anfang des Jahres in den Schlagzeilen, als Aktivisten gegen Siemens protestierten, weil der deutsche Konzern Signaltechnik für Carmichael liefern will.
In Indien engagieren sich Rodrigues und Dias in einer Kampagne, die hinterfragt, warum jährlich 136 Millionen Tonnen Kohle durch Goa verschickt werden müssen. Außerdem thematisieren sie die Folgen des Kohlemasterplans.
Proteste durch Pandemie behindert
Zwar erfahren nun die Bewohner weiter im Norden Indiens durch soziale Netzwerke, was sich im Süden Goas abspielt. Aber sonst können die Kohlekritiker*innen wegen der coronabedingt strikten Ausgangsbeschränkungen zunächst nicht viel unternehmen. Zu Beginn des Lockdowns erlebte Rodrigues, wie schwierig plötzlich die Versorgung mit Obst und Gemüse in Goa war.
Und dennoch versuche die Lokalregierung weiter, den Aktivist*innen weiszumachen, dass größere Straßen nötig seien, um Gemüse besser nach Goa zu transportieren, anstatt die eigene Landwirtschaft zu fördern, sagt Rodrigues. Solche Argumente können sie nicht überzeugen.
„Die Regierung hat die Coronasituation für ihre Zwecke ausgenutzt“, meint Rodrigues. Es gebe keine Möglichkeit für einen Dialog, sagt sie. Stattdessen wurden Teilnehmer der Bahngleisblockaden in Chandor angezeigt. Auch die Tourismusbranche schlägt Alarm. 150 Unternehmer*innen hatten bereits im Juni vergebens einen Brief mit warnenden Worten an den indischen Umweltminister geschrieben. Denn nicht nur für Reisende aus der Ferne ist Goa eine beliebte Urlaubsregion.
Der Tourismus ist eine der wenigen Einnahmequellen. Doch wer will in Goa Urlaub machen, wenn der Kohlenstaub stark zunimmt, fragen sich viele. Schon jetzt gebe es Menschen, die durch die derzeitige Kohlebeförderung unter Atemwegsprobleme leiden, sagt der Kohlegegner Viriato Fernandes.
Es wird jedoch nicht leicht sein, das Projekt zu stoppen. Denn Indien hält an Kohle als wichtigstem Energieträger fest und hat bereits angekündigt, die Produktion bis 2024 auf eine Milliarde Tonnen auszuweiten.
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