■ Köln: SPD hat nach Heugels Rücktritt keinen OB-Kandidaten: Die Fantasielosigkeit des Filzes
Die höchste, die virtuoseste Stufe der Korruption ist der Klüngel, das zeitlich versetzte Geben und Nehmen, möglichst noch über Bande unter Einbeziehung Dritter gespielt. Gemessen an dieser hohen Kunst des Netzwirkens für den gegenseitigen, regelwidrigen Vorteil ist die Affäre um Insider-Aktiengeschäfte des Kölner OB-Kandidaten Heugel ein Rückfall in die Steinkühler-Steinzeit, eine Beleidigung der Intelligenz & Fantasie des Kölner politischen Establishments. Weshalb die Kölner Bürger auch zu Recht erbost sind. Denn wer will schon von täppischen Vorteilsnehmern regiert werden.
Felten und Guillaume ist ein Kölner Traditionsbetrieb. Um aufrechtzuerhalten, was von ihm geblieben ist, hat die Restbelegschaft jahrelang umsonst Überstunden geschoben. Aktien eines solchen Betriebes erbt man, sie liegen in der Schatulle, Insignien der Kölner Stadtidentität. Hätte Heugel doch, statt sein mickriges Spekulationsgeschäft zu landen, sich öffentlich mit seinen ererbten F & G-Aktien geschmückt. Die Bürger hätten es diesem treuen Sohn der Stadt am Wahltag gedankt.
Der Oberstadtdirektor sträubte sich zuerst gegen die Konsequenz seines schäbigen Handels, er hatte den „Tunnelblick“, wie seine Kölner Genossen das nennen. Die Wirklichkeit holte ihn erst ein, als die Teilnehmer des SPD-Straßenfests zu Köln-Lindenthal, seiner engeren Heimat, ihn ersuchten, der Festivität fernzubleiben. Das war zu viel, denn das Oberbürgermeisteramt der Stadt Köln zeichnet aus, was sonst nur noch der Münchner Amtsbruder zu bieten hat: die Oberhohheit über eine wahrhaft große Volksbelustigung – und ihre kleinen Ableger. Wer den Karneval initiieren darf, nimmt Teil an seiner Glorie. Jetzt aber darf Heugel nach dem 11. 11. nur noch die fälligen Fußtritte der Jecken einstecken.
Bleibt eine bohrende Frage: Warum trat die SPD-Feuerwehr nicht in Aktion, als die ersten Details von Heugels Geschäften ruchbar wurden? Die Antwort ist ebenso offensichtlich wie deprimierend. Die Sozialdemokraten haben einfach damit gerechnet, dass Personalverflechtungen zwischen städtischen, Partei- und Firmenämtern, mithin der kommune Filz, sich schon so stark ins Massenbewusstsein eingefressen haben, dass die Wähler über genauso wenig Unrechtsbewusstsein verfügen wie die Täter. Diese Spekulation wäre generell sicher nicht unberechtigt. Aber in diesem Fall, wo Kölner Identitätsfragen auf dem Spiel stehen, musste sie Heugel ins Verderben führen. Christian Semler
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