Köfteessen mit Freunden: Die Möchtegern-Politiker
Meine Freunde wollen zwecks Rettung der Welt in die Politik gehen. Ich würde mich anschließen. Vorher muss ich nur abspülen und mein Bier austrinken.

U nser Nachbar Ahmet und seine Frau Fadimanim haben meine Frau Eminanim und mich zum Abendessen eingeladen, um die aktuelle politische Situation zu analysieren. Denn in der Türkei passieren unglaubliche Dinge, wie zum Beispiel, dass täglich in verschiedenen Städten die gewählten Bürgermeister der Opposition ins Gefängnis gesteckt werden, ja, sogar, bevor sie gewählt wurden, damit sie nicht gewählt werden können.
Zugegeben, mich lockten eher die Köftes und die gefüllten Paprikas, die Frau Fadimanim so herrlich zubereiten kann. Unser gemeinsamer Freund Nedim – auch glühender Liebhaber gut gebratener Köftes – und seine Gattin Hümeyranim sind ebenfalls anwesend.
Nach dem Essen bittet uns Ahmet auf seinem berühmt-berüchtigten ’West-Östlichen-Sofa’ Platz zu nehmen. Schade, dass das Sofa nicht sprechen kann. Sonst hätte es berichten können, wie wir jahrelang unsere Diskussionen am Abend mit Köfte und dem Abendland angefangen und morgens mit Baklava und dem Morgenland aufgehört haben. Heute jedoch überraschen mich Ahmet und Nedim mit einer spektakulären Idee: Beide wollen in die Politik gehen und sogar kandidieren! Ahmet hat sich die türkische Politik vorgenommen und Nedim die deutsche.
„Und, wo willst du kandieren, Osman? Oder willst du deine Meinung weiterhin dem Fernseher ins Gesicht brüllen?“, machen die beiden sich über mich lustig.
„Leute, warum soll ich mich denn mit der mickrigen Politik in Deutschland oder in der Türkei rumärgern? Die USA bestimmen ohnehin was in diesen beiden Ländern geschieht. Deshalb würde ich gerne das Übel direkt an der Wurzel packen und mein politisches Debüt in Washington geben. Aber meine mangelhaften Englischkenntnisse erlauben es mir leider nicht“, tue ich sehr souverän.
„Osman, ein Jahr Englischkurs bei der Volkshochschule und dann kann der Trampel einpacken“, lacht meine Frau Eminanim. Ich glaube, meine Frau will mich loswerden und am liebsten über den großen Teich schicken. Nach dem vierten Bier erkläre ich Ahmet, dass in der Türkei die oppositionellen Politiker einer nach dem anderen im Knast landen und er zieht sich auf der Stelle frustriert aus der türkischen Politik zurück, bevor er überhaupt losgelegt hat.
„Ich möchte schon in die Politik, aber nicht ins Gefängnis“, brummt er. „Dann kandidiere doch in Deutschland, wie ich“, meint Nedim. Und um zu demonstrieren, wie gut er sich vorbereitet hat, fängt er an, die deutsche Politik seit Bismarck zu analysieren. Dabei weiß er nicht mal, dass der ehemalige Bundeskanzler Schröder nach seiner Abwahl zum Feind übergelaufen ist.
„Wie? Arbeitet Schröder wirklich für Putin?“, wundert er sich bis über beide Ohren. Genau an dem Punkt, an dem ich nach zwei Tellern Köfte und fünf Flaschen Bier den politischen Diskurs gewonnen, die beiden Möchtegern-Politiker platt gewalzt und in die Bedeutungslosigkeit verwiesen habe, ruft meine Frau Eminanim: „Osman, komm bitte in die Küche. Heute bist du mit dem Geschirrspülen dran. Die Welt kannst du beim nächsten Köfteessen retten!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert