Koch-Performance am Gorki-Theater: Auberginen sind göttlich
„Conflict Food“ von Ayham Majid Agha und Olga Grjasnowa erzählt vom Aufstieg der Bananenmilch. Dem Islamischen Staat sei Dank.
Mit der Eintrittkarte wird eine weiße Küchenschürze ausgehändigt. Auf die ist ein angerissenes Fladenbrot gedruckt, in dessen Mitte der Titel der Peformance steht: „Conflict Food“. In dieser Koch-Show werden die Gäste zu MitköchInnen. Sie lernen Rezepte und Tricks vor allem aus der arabischen Küche kennen. Doch es geht um mehr.
Denn, wem gehören die Gerichte, wer hat sie erfunden und darf also seine Kultur mit ihnen aufpolstern? Ist das Tscherkessenhuhn türkisch, armenisch oder syrisch?
Der Wettstreit, so erklärt Gastgeber Ayham Majid Agha, werde im Nahen Osten ähnlich ernsthaft geführt, wie der um Meinungsfreiheit hierzulande. Wie ernst das werden kann, ließ sich nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo beobachten.
Ayham Majid Agha ist Schauspieler, Regisseur und Chefkoch. Er kommt aus Syrien und hat in Damaskus an der Kunsthochschule studiert. Doch aufgewachsen ist er in der Wüstenstadt Deir ez-Zor. Der Euphrat durchquert die Stadt, die inzwischen zum Großteil von IS-Milizen kontrolliert wird.
„Conflict Food": nächste Vorstellung 8. März
Wem gehört das Tscherkessenhuhn?
Kurz nach Aghas Geburt vor 34 Jahren eröffnete sein Vater dort ein Restaurant. Da seine Familie sich aus Italienern, Armeniern und Türken zusammensetzte, beschäftigte er einen türkischen, einen italienischen und einen armenischen Koch.
Al Agha amüsieren die Versuche, Rezepte und Menschen nur einer Kultur zuschlagen zu wollen. Und er hat sich für die Performance den Autor und professioneller Hobbykoch Daniel Schreiber eingeladen. Der verdiente sich mit fancy französischer Küche in New York sein Geld und kocht an diesem Abend seine Lifesafers: Gerichte, die einfach und billig sind, aber aufwändig und teuer schmecken. „Conflict Food“ erlaubt sich einen wilden Gang durch die Küchen dieser Welt. Die Gäste schnippeln derweil Schokolade und Auberginen und hören den Anleitungen und Anekdoten zu.
Agha lernte bei seiner Großmutter, die versorgte gelegentlich bis zu 200 Gäste am Tag. Mit fünf Jahren kochte er sein erstes Ei, im Alter von sechs durfte er zum Messer greifen, danach wurde er bald Omas rechte Hand. „Schockiere niemals deine Zutaten“, sagte sie, „fass sie mit den Fingern an, nicht mit Geräten, und halte sie auseinander, sie erschrecken sich sonst.“
Auch Schreiber lehnt es ab, Kochen zu einer Geräteshow zu machen. Das sei etwas für Heteromänner. Die Differenz zwischen heterosexuellen und Schwulen in Sachen Kochen interessiert ihn. Entsprechend verwendet er auch keine Barilla-Nudeln für seine Zitronen-Pasta. Das Unternehmen hatte homophobe Werbung geschaltet. Ein Gast findet das übertrieben, und Schreiber wird zum ersten und auch letzten Mal streng an diesem Abend: „Ich finde es falsch, dass du Schwulenfeindlichkeit bagatellisierst.“ Conflict Food.
Ayham Majid Agha kocht unterdessen weitere Vorspeisen, Meeze. Die Aubergine kommt hier zu besonderem Einsatz, denn, sagt Agha, der Araber hält sie für die Eier Allahs. Also esse er sie gern. Übersetzt heißt Meeze übrigens „Kleiner Bissen zum Getränk“. Vor allem Arak, ein arabischer Anisschnaps, sei damit gemeint. Ziel sei, beim Essen und Plaudern das Denken zu vergessen.
Und das hat der Prophet gegessen
Das mit dem Arak ist in Aghas Geburtsort erstmal vorbei. Jetzt dominiert die Bananenmilch. Die IS-Milizen haben sämtliche eingesessenen Restaurants zwischen Deir ez-Zor und Al-Raqqa schließen lassen. Nur noch „Mohammads Speisen“ dürfen serviert werden: Fleisch und Reis. Und Bananenmilch. Mangomilch ist „haram“: Sünde.
Agha erzählt von dieser brutalen Kulturfeindlichkeit stets mit Zurückhaltung, Selbstironie und Charme. Nebenbei verteilt er Messer und zeigt, wie etwa der Granatapfel am leichtesten zu entkernen ist. Für ihn ist Kochen keine Show, sondern Handwerk und zwar eines, das er liebt.
Dabei führt er weniger durch den Abend als dass er auf Fragen und Einwürfe antwortet. Ein Gast aus Israel, der jedes Gericht zu kommentieren weiß, kommt ihm da gerade recht. Schon in seinem letzten, am Gorki-Theater gezeigten Stück „You Know I Don’t Remember“ wurden Teile der Geschichte Syriens – damals ging es um politische Gefangene – im Dialog erinnert (oder vergessen). Leider läuft am Ende die Zeit davon, und Agha muss sich ganz aufs Kochen konzentrieren. Schade, gerne hätte man noch mehr Geschichten von ihm gehört. Um so von einem Syrien jenseits der in den Medien so beliebten Geopolitik zu erfahren. Die bringt den Alltag ja verlässlich zum Verschwinden.
Die gute Nachricht: Auch das „Tscherkessen“-Huhn mit und ohne Walnüsse war exzellent. Profi ist eben Profi.
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