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Koalitionsvertrag in Brandenburg stehtDenkbar knappste Mehrheit

SPD und BSW sind sich in Brandenburg einig geworden. Weil ein BSW-Abgeordneter fremdgeht, haben beide Parteien nicht eine Stimme mehr als nötig.

Robert Crumbach (BSW) und Dietmar Woidke (SPD) haben zu zählen begonnen Foto: picture alliance/dpa | Michael Bahlo

Berlin taz | Knapper geht es nicht. Wenn SPD und BSW an diesem Mittwoch um 14 Uhr in Potsdam ihren 67-seitigen Koalitionsvertrag vorstellen, werden sie auch erklären müssen, welche Mehrheit die künftige rot-lila Koalition im Brandenburger Landtag haben wird. Sie wird aller Voraussicht nach nur eine Stimme betragen. Der Grund: Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hat angekündigt, bei der Wahl des Ministerpräsidenten nicht für Dietmar Woidke (SPD) zu stimmen.

So geräuschlos die Verhandlungen die vergangenen drei Wochen gelaufen sind, so vernehmbar hatte es am Wochenende gekracht. Der Streit hatte sich um den Ausbau des Bundeswehrstandorts in Holzdorf an der Grenze zu Sachsen-Anhalt entzündet. Dort soll auch das Raketenabwehrsystem Arrow 3 stationiert werden. „Wer die Aufstellung der Arrow 3 in Brandenburg unterstützt, kriegt meine Stimme nicht“, hatte Hornauf angekündigt.

Vorangegangen war ein Machtkampf in der BSW-Fraktion. Zusammen mit fünf anderen Abgeordneten der 14-köpfigen Fraktion hatte Hornauf in einer Kleinen Anfrage wissen wollen, ob das Arrow-System auch als Angriffswaffe genutzt werden könne und ob das Land 100 Millionen Euro an Fördermitteln für den Standort einplane. Nachdem die SPD daraufhin eine „Denkpause“ bei den Verhandlungen gefordert hatte, zog das BSW die Anfrage zurück. Eine ähnliche Anfrage habe es bereits im Bund gegeben, lautete die Begründung von BSW-Fraktions- und Landeschef Robert Crumbach.

Daraufhin hatte Hornauf die Anfrage als Einzelabgeordneter noch einmal gestellt. Ein Treffen der Verhandler am Montag war deshalb ergebnislos beendet worden. Crumbach gab sich dennoch optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass wir die Probleme, die wir mit der SPD noch haben (…), zeitnah lösen können“, sagte er. „Wenn wir die zeitnah gelöst haben, dann wird es auch eine Wahl des Ministerpräsidenten geben, wo an unseren Stimmen nicht zu zweifeln ist.“

Ein weiterer Abtrünniger?

Zusammen stellen SPD und BSW in Brandenburg 46 der 88 Landtagsabgeordneten. Nötig bei der Wahl des Ministerpräsidenten sind mindestens 45 Stimmen. Auch SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke wollte deshalb zunächst auf Nummer sicher gehen. Es sei egal, ob man sich zu 99,9 Prozent geeinigt habe, sagte Woidke. Wenn man sich zu 0,1 Prozent noch nicht geeinigt habe, habe man sich nicht geeinigt – auf alles nicht geeinigt. „Deswegen ist der letzte Punkt entscheidend“, betonte er.

In einer Krisensitzung hatte die BSW-Fraktion am Dienstag versucht, das Thema abzuräumen – ohne Erfolg. Zu Sven Hornauf, der bei der vierstündigen Sitzung offenbar nicht anwesend war, sagte Crumbach im Anschluss, Hornauf nehme an, dass 100 Millionen Euro Infrastrukturmaßnahmen in Holzdorf verplant würden. „Dem ist nicht so.“ Das teile er Hornauf auch mit. „Dann schauen wir, was er dazu sagt.“

Gleichzeitig hat die Fraktion beschlossen, dass Kleine Anfragen in Zukunft zuerst im Fraktionsvorstand besprochen werden, bevor sie gestellt werden. „Das hat nichts mit Zensur zu tun“, sagte Crumbach.

Inwieweit Crumbach die eigenen Reihen zusammenhalten kann, wird sich voraussichtlich am 3. Dezember zeigen. Auf einer Sondersitzung des Landtags will die AfD mehrere Anträge zum Ukraine-Krieg einbringen. Hornauf hat in Zeitungsinterviews bereits angekündigt, zuzustimmen. Auch einen weiteren Wackelkandidaten scheint es zu geben. Laut Tagesspiegel habe das BSW der SPD zugesichert, dass 12 der 14 BSW-Abgeordneten die Anträge ablehnen werden.

Über den Koalitionsvertrag will die SPD auf einem Landesparteitag am 6. Dezember abstimmen. Die Wahl des Ministerpräsidenten könnte dann am 11. Dezember stattfinden. Oder auch nicht.

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13 Kommentare

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  • Erstens stammen die 100 Millionen zwar vom Bund, aber das Land verfügt darüber. Hornauf störe sich dem Vernehmen nach daran, daß Landesprogramme im Sozialen auslaufen, für die kein Geld da sei, während faktische Landesmittel für einen Fliegerhorst mit für den Bund zentraler Bedeutung verwendet würden. Crumbach lenkt mit dem Argument, es werde nicht das gesamte Geld für den Bundeswehrstandort veranschlagt, vom eigentlichen Thema ab. Das habe ja auch noch fünf andere Wagenknechtler umgetrieben.

    Zweitens die Tatsache, daß Hornauf an einer Krisensitzung der Fraktion nicht teilnahm. Ob er sich noch Beschlüssen der Fraktion beugen wird, ist die Frage, nachdem es an ihn bereits Forderungen gegeben habe, das Listenplatz-Mandat zu räumen, andernfalls man ihn aus der Fraktion ausschließen werde bzw. müsse:



    www.zeit.de/politi...dt/komplettansicht



    Kann man machen, ändert aber nichts daran, daß die Mehrheitsverhältnisse prekärer werden.

    Drittens die Hintergründe von Woidkes Kamikaze-Ritt gegen Lauterbach. Der Koalitionsvertrag mag beim Parteitag ja durchgehen. Aber die MP-Wahl ohne Stimmen von CDU oder AfD?

  • "Gleichzeitig hat die Fraktion beschlossen, dass Kleine Anfragen in Zukunft zuerst im Fraktionsvorstand besprochen werden, bevor sie gestellt werden."

    Man merkt, das das BSW noch nicht so professionell ist wie die anderen Parteien.



    Die machen es zwar genau so, aber die würden nie öffentlich zugeben, daß sie die Rechte von Abgeordneten einschränken.

  • AFD-Anträge zum Ukraine-Krieg in einem Landtag? Und ein BSW-Abgeordneter will dem zusimmen? Zeigt mal wieder, dass die AFD nur Show kann, aber keine Politik. Ist der Wagenknecht-Beklatschungsverein SEW besser? Muss sich zeigen.

    • @Bluewater:

      Zitat: "Und ein BSW-Abgeordneter will dem zustimmen?"

      Zwölf von vierzehn des BSW würden ablehnen, heißt es im Artikel. Darüber hinaus hat die SPD 32 Sitze, die CDU 12 und die AfD 30.

  • "Denkbar knappste Mehrheit"

    In Thüringen ist die geplante Koalition gar ohne eigene Mehrheit; und in Sachsen dürfte es nicht viel anders aussehen.



    Fragen, wie man unter diesen Umständen Politik machen wollte, die sind mit Sicherheit legitim.

    • @sutrebe:

      Zitat: ""Denkbar knappste Mehrheit""

      Wenn überhaupt noch.

      Zitat: "In Thüringen ...; und in Sachsen ..."

      In Sachsen haben die BSWler die Gespräche platzen lassen. Ist dort bis Ende Januar keine Regierung gebildet, löst sich der Landtag wegen einer Verfassungsbestimmung automatisch auf.

      Zitat: "Fragen, wie man unter diesen Umständen Politik machen wollte, die sind mit Sicherheit legitim."

      Aber nur, weil in deutschen Parlamenten aller Ebenen häufig ein Umgang mit dem Holzhammer entlang der Linie "Regierung" und "Opposition" gepflegt wird: Stoisch alles niederstimmen, was von der Opposition kommt und wenn es was taugte, wörtlich abgeschrieben als eigenen Antrag beschließen.



      Abseits eines solchen Kindergartens ginge das durchaus.

  • Gegen das Arrow- 3 Raktenabwehrsystem, nur die dümmsten Kälber wollen dem Metzger schutzlos gegenübertreten....

    • @Machiavelli:

      Man fragt sich ja manchmal, ob die vom BSW nicht die Schlüssel zu den Staatskanzleien gleich im Kreml abgeben wollten, sofern nur wieder billiges Öl und Gas geliefert würde.

  • Die Koalition ist ein Verrat an elementaren Prinzipien, nämlich den Macherhalt durch billige Konzessionen. Dass Wagenknecht sich durchgesetzt hat, dürfte ein Phyrussieg für sie sein, weil sie nun ihre Wahre Maske gezeigt hat. Hoffentlich der Anfang vom Ende des euphorisch eingeläuteten Aufstiegs.

    • @Schö51:

      Hat sich SW denn schon durchgesetzt? Der Koalitionsvertrag muß noch von den Landesparteitagen bestätigt und Woidke zum MP gewählt werden. Zumindest letzteres ist kein Selbstläufer. Wenn das ein paar Mal nicht klappt und dann die CDU einen Kandidaten aufstellt ...

  • Jedenfalls erfreulich, dass sich Abgeordnete inzwischen trauen, auch eigenständig zu agieren - und das mit offenem Visier. So sollte das auch sein; so ist ein Parlament gedacht.



    Das ist nicht nur, aber auch eine positive Nebenwirkung der veränderten Parteiensystems.

    • @Frauke Z:

      Eigenständigkeit ist kein Qualitätsmerkmal an sich, wenn dabei nicht auch sinnvolle Positionen vertreten werden. Ansonsten wäre "Querulantentum" zutreffender.