Koalitionsverhandlungen in Berlin: Die zwei Gesichter der SPD
Zwischen Parteichefin Giffey und CDU-Mann Wegner scheint gerade kein Blatt zu passen. Doch an der Basis verteufeln viele den möglichen Partner.
I st das noch ein geeinter Verein? Sind das noch sich gegenüber stehende Flügel oder de facto bereits zwei eigene Parteien – eine SPD und eine Abspaltung wie 1917 die USPD, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland? Das sind Fragen, die sich in diesen Tagen aufdrängen, da die SPD in Berlin, begleitet von viel linker Kritik, aber ungebremst auf den den Entwurf eines Koalitionsvertrags mit der CDU hinverhandelt hat.
Nur drei Wochen haben sie, die gerne miteinander regieren wollen, dafür gebraucht. Das aktuelle rot-grün-rote Bündnis, das zuvor schon fünf Jahre miteinander gearbeitet hatte, saß 2021 trotz dafür fünf Wochen zusammen – obwohl man sich bereits gut kannte.
Wer CDU-Chef Kai Wegner und seine SPD-Kollegin Franziska Giffey vor und nach solchen Verhandlungen erlebt und gehört hat, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Da kommt zusammen, was schon 2021 zusammengehört hätte. Zu Besuch in der taz-Kantine beispielsweise hatte Giffey vor der damaligen Abgeordnetenhauswahl teils fast wortgleich gesagt, was schon tags zuvor an gleicher Stelle von Wegner zu hören war. In den zentralen Themen Bauen, Sicherheit und Verkehr gab es kaum Unterschiede. Als weiteres zwischen beiden weitgehend unstrittiges Großthema ist nun noch die Verwaltungsreform hinzu gekommen.
Wer aber etwa jüngst bei einem Mitgliederforum des SPD-Kreisverbands Mitte zuhörte, bekam einen ganz anderen Eindruck von der SPD. Unter etwa 90 Menschen im Saal lehnten rund zwei Drittel eine Koalition mit der CDU ab. Sie wollten für ihre Entscheidung gar nicht auf den Entwurf eines Koalitionsvertrags warten, der am kommenden Montag präsentiert werden soll.
Inhalte galten vielmehr als nachrangig: „Haltung“ war ein mehrfach angeführtes Argument gegen eine schwarz-rote Koalition, Rassismus warfen manche den Christdemokraten vor. „CDU und SPD passen nicht zusammen, und das ist gut so, und wenn sie zueinander passen, sollte uns das Sorgen machen“, war ein dafür typischer Satz. Und dass Grüne und Linke „natürliche Partner“ der SPD seien.
Mitgliedervotum startet am Dienstag
Schon drei andere der insgesamt zwölf SPD-Kreisverbände hatten sich zuvor mehrheitlich gegen Schwarz-Rot positioniert, 4:4 stand es nach Bezirken nach jenem Abend. Die Frage war und ist bloß: Wie sehr gibt das Meinungsbild beim SPD-Forum in Mitte die Stimmung in der Breite der insgesamt rund 18.500 SPD-Mitglieder in Berlin wieder? Denn die stimmen ab Dienstag parteiintern über den Entwurf ab.
Als die Jusos sich auf Bundesebene Ende 2017, Anfang 2018 gegen eine Koalition mit der CDU wandten und eine No-Groko-Kampagne starteten, folgten schließlich dennoch rund zwei Drittel der Partei der Empfehlung ihrer Parteispitze für ein solches Bündnis. Vier von fünf Mitglieder hatten sich an dem Votum beteiligt. Gälte das auch in Berlin, bräuchten sich Giffey und ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh keine Sorgen über eine Zustimmung zu machen, auch wenn die Berlin Jusos angekündigt haben, die größte Kampagne zu starten, die die SPD je gesehen haben soll.
Doch ist das so wie auf Bundesebene? Ist Berlin nicht auch hier anders? Schon beim Landesparteitag im Juni 2022 mit seinen rund 270 Delegierten als mittlerer Funktionärsebene war der Rückhalt für die Parteiführung wacklig. Erst wurden Giffey und Saleh nur mit Ergebnissen unter 60 Prozent als Vorsitzende wieder gewählt. Dann sprach sich der Parteitag auch noch für Wohnungsenteignungen aus, sollte die vom Senat eingesetzte Expertenkommission die gutheißen.
Eigentlich ein Dreier-Bündnis
Selbst wenn beim Mitgliedervotum, das bis zum 21. April läuft, eine Mehrheit Schwarz-Rot unterstützt: Diese Koalition ist eigentlich kein Zweier-, sondern ein Dreierbündnis. Denn die SPD-Ablehnerfraktion ist im Grunde ein dritter, widerstrebender Partner, der nur qua gleichem rotem Mitgliedsbuch mitmachen muss.
Wie sehr das ein Problem für schwarz-rotes Regieren sein kann, wird vom Ergebnis des Votums abhängen: Ein 80:20-Resultat kann Giffey als Freifahrtschein bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl in dreieinhalb Jahren nehmen. Bei einem 55:45 aber könnte die Ablehner-Fraktion zu Recht einfordern, dauerhaft mitreden zu dürfen.
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