Koalitionsausschuss zu Coronahilfen: Milliarden sollen aus Krise helfen
Die Beschlüsse zu den neuen Coronahilfen stoßen bei Parteien und Verbänden auf gemischte Reaktionen. Kritik gibt es an Höhe und Zielgenauigkeit.
„Die Menschen können sich auf den Sozialstaat verlassen“, sagte Heil. Die Hilfen seien „wirtschaftlich vernünftig“ und „sozial geboten“ und kämen „im Geldbeutel der Menschen“ an.
Der Koalitionsausschuss hatte am Mittwochabend angesichts der andauernden Belastungen durch die Coronakrise mehrere Sozial- und einige Wirtschaftshilfen beschlossen. So sollen Familien wie auch schon im vergangenen Jahr einen Kinderbonus als Aufschlag auf das Kindergeld bekommen. Dieser soll einmalig 150 Euro pro Kind betragen und wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet.
Für HochverdienerInnen ergibt sich demzufolge unter Umständen kein Plus im Geldbeutel. Wer allerdings das Kindergeld und nicht den steuerlichen Kinderfreibetrag bekommt – und das sind die allermeisten Familien –, erhält den vollen Bonus. Die Auszahlung wird nicht auf Leistungen der Grundsicherung angerechnet und kommt somit auch Hartz-IV-EmpfängerInnen zugute. Erwachsene Hartz-IV-EmpfängerInnen erhalten zudem einen einmaligen Zuschuss von 150 Euro pro Person.
Opposition fordert monatliche Erhöhung der Grundsicherung
Der einmalige Coronazuschlag soll mit etwa 800 Millionen Euro für den Staatshaushalt zu Buche schlagen. Der Kinderbonus koste rund 2 Milliarden Euro, sagte Heil am Donnerstag.
Wer erstmalig Grundsicherung beantragen muss, dem werden die Wohnkosten in den ersten zwei Jahren des Bezugs in voller Höhe erstattet. Vermögen des Beantragenden bis zu einer Höhe von 60.000 Euro sowie 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied werden nicht angerechnet. Die Regelung, die pandemiebedingt im vergangenen Jahr eingeführt wurde, wird nun bis Ende 2021 verlängert.
Die Grünen kritisierten den Koalitionsbeschluss als unzureichend für Bedürftige. Der einmalige Coronazuschuss von 150 Euro sei eine „mickrige Einmalzahlung“ und eine „herbe Enttäuschung“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken, kritisierte, die Einmalzahlung von 150 Euro für Menschen in Grundsicherung werde den Mehrkosten durch Corona „nicht gerecht“. Linke und Grüne fordern einen monatlichen Zuschlag von 100 Euro während der Pandemie.
Ulrich Schneider, Paritätischer Gesamtverband
Eine Initiative aus mehreren Verbänden, auch dem Paritätischen Gesamtverband, hatte einen Aufschlag von 100 Euro monatlich während der Pandemie und eine dauerhafte Anhebung des Regelsatzes auf 600 Euro gefordert. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands, erklärte, die Krisenbewältigung der Koalition bleibe ein „armutspolitisches Trauerspiel“.
Auch Unternehmen sollen entlastet werden
Die Koalition beschloss weitere Wirtschaftshilfen. Eine erweiterte steuerliche Verrechnung von aktuellen Verlusten mit Gewinnen aus den Vorjahren soll es den Unternehmen ermöglichen, ihre Steuerlast zu reduzieren. Die Mindereinnahmen für den Staatshaushalt durch diese Erleichterungen betragen laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weniger als 1 Milliarde Euro.
Der verringerte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent für Speisen in Cafés und Restaurants, der zunächst bis Ende Juni vorgesehen war, soll nun bis Ende 2022 weiter bestehen bleiben. Nach Schätzungen der SPD belaufen sich die daraus resultierenden Mindereinnahmen für den Staatshaushalt im Jahr 2021 auf rund 3,5 Milliarden Euro.
Die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie bezeichnete der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga als „richtig, wichtig und mutmachend“. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, bemängelte allerdings, die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie sei wenig zielgenau. „Sie hilft Betrieben, die weniger betroffen sind und mehr Umsatz machen, stärker als Betrieben, die härter getroffen sind.“
Der Koalitionsausschuss beschloss zudem, auch das Rettungs- und Zukunftsprogramm „Neustart Kultur“ in einem Anschlussprogramm zu verlängern. Dies soll 1 Milliarde Euro kosten.
Zum Umgang mit der Schuldenbremse zeigten sich angesichts der Milliardenhilfen in der Coronapandemie abweichende Vorstellungen zwischen Union und SPD. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus forderte ein Festhalten an der im Grundgesetz festgeschriebenen Vorgabe. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte hingegen, die Schuldenbremse habe den Fehler, Investitionen in die Zukunft im Zweifelsfall unmöglich zu machen. (mit dpa, afp, rtr)
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