Koalition in Spanien: Mut und Ausdauer

Die Neuwahlen, das Erstarken der rechtsextremen Vox hätten Spanien erspart bleiben können. Jetzt muss das Linksbündnis auf vielen Ebenen liefern.

Pedro Sanchez und Pablo Iglesias machen Shakehands vor der spanischen Flagge

So viel Einigkeit hätte man sich schon nach der Wahl im Frühjahr gewünscht Foto: Burak Akbulut/AA/picture alliance

War das wirklich alles nötig? Das ist die Frage, die sich nach der überraschenden Einigung der sozialistischen PSOE unter dem geschäftsführenden Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem Chef der linksalternativen Unidas Podemos (UP) vielen in Spanien aufdrängt.

Denn die Chance für eine solch fortschrittliche Koalition bestand bereits nach den Wahlen im April. Die beiden Parteien hatten damals zusammen sogar mehr Abgeordnete als jetzt. Doch sie ließen die Zeit verstreichen, stritten sich, anstatt sich zu einigen. Wirklich verhandelt wurde nie.

Sánchez blickte auf die Umfragen, die ihm irrtümlicherweise steigende Werte vorhersagten und provozierte die Neuwahlen vom vergangenen Sonntag. Der Frust bei der linken Wählerschaft war unübersehbar. Viele blieben den Urnen fern. Und was am schwersten wiegt: Es war eine zweite Chance für die rechtsextreme Vox, die im April erstmals ins Parlament eingezogen war und am vergangenen Sonntag sogar drittstärkste Partei wurde.

All das hätte den Spaniern erspart bleiben können. Doch fehlte es sowohl Sánchez als auch Iglesias an Weitsicht. Sie pokerten und verloren dabei Stimmen. Es reicht jetzt immer noch, aber leichter wird es nicht.

Echte Sozialpolitik und Handreichung an die Katalanen

Denn mittlerweile hat sich – nach der Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten – der Katalonienkonflikt noch verschärft. Und wenn sich katalanische und baskische Parteien nicht zumindest enthalten, wird das Duo Sánchez/ Iglesias nicht ins Amt kommen.

Doch besser später als nie: Spanien braucht jetzt eine stabile Regierung, die auf die Katalanen zugeht, ihnen eine Lösung bietet. Nur so lässt sich der Teufelskreis, in dem sich der Konflikt seit über zwei Jahren bewegt, vielleicht doch noch auflösen. Und Spanien braucht auch – angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten – eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient.

Der soziale Kahlschlag, den die Konservativen bis 2018 im Auftrag Brüssels durchgezogen haben, muss rückgängig gemacht werden. Denn nur so wird es, sollte sich der wirtschaftliche Abwärtstrend verschärfen, die Opfer der letzten Krise nicht noch härter treffen.

Mut und Ausdauer ist mehr denn je gefragt, in einer Zeit, in der erstmals seit dem Übergang zur Demokratie in den 1970er Jahren die Anhänger der Franco- Diktatur wieder ihre Stimme aus dem Parlament heraus erheben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.