Klubbaustelle VfL Wolfsburg: Alleinentscheider in der Erlebnisregion
Vor seiner Rückkehr nach München wächst die Kritik an Felix Magath und seinem Führungsstil. Den allmächtigen Wolfsburger stört das nicht. Er hat VW im Rücken.
WOLFSBURG taz | Oft genug hat Felix Magath betont, sich im östlichen Niedersachsen wieder wohlzufühlen. Angeblich kann sich der 58-Jährige gar nichts anderes mehr vorstellen, als beim VfL Wolfsburg zu werkeln. Insofern war es nur konsequent, dass der Mann vor dem heutigen Gastspiel beim FC Bayern München sein markantes Gesicht für ein Fotoshooting zur Kampagne "Erlebnisregion 2020" zur Verfügung stellte.
Mittels prägnanter Persönlichkeiten werden ab Februar fünf niedersächsische Landkreise sowie die Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg beworben. Die Werbeagentur hat dafür den für die Autostadt auserkorenen Botschafter Magath auf den Rasen und den Rängen der Wolfsburger Arena platziert und ihm ein weißes Schild gereicht, auf dem später per Computer der Schriftzug montiert wurde: "Auf dem Spielfeld gebe ich die Strategie vor - mit der Erlebnisregion 2020 gestalten wir gemeinsam."
Eine gewagte Aufschrift, schließlich ist irgendwie schwer vorstellbar, dass der Alleinentscheider im Jahre 2020 immer noch in seiner Dreifaltigkeit den Trainer, Manager und Geschäftsführer gibt. In der Branche hat Magaths neuerlicher, summa summarum fast 30 Millionen Euro teurer Kaufrausch Stirnrunzeln ausgelöst. Im Gegenzug stärkt der Eigner der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, die Volkswagen AG, dem Trainer demonstrativ den Rücken.
Magath, der "Glücksgriff"
Magaths Freund, der auch im Bayern-Aufsichtsrat platzierte VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, eilte zum Trainingsauftakt eigens herbei. Im Vereinsmagazin haben unlängst Wolfsburgs Bürgermeister Klaus Mohrs ("Felix Magath ist und war ein Glücksgriff") und der VfL-Aufsichtsratschef Francisco Garcia Sanz Partei ergriffen. Sanz sagte: "Mit der gleichen Summe Geldes, mit der Magath jetzt acht neue Spieler geholt hat, bezahlen andere Vereine einen einzigen."
Damit kann Sanz nur die Bayern meinen. Die kaufen allerdings auch Weltstars wie Robben oder Ribéry - und nicht Nobodys wie Sissoko oder Sio, Hasani oder Medojevic. Arnd Zeigler, der begnadete Komödiant des Fußballbusiness, fischte in seiner WDR-Sendung "Zeiglers wunderbare Welt" aus einer Buchstabensuppe die nächsten Neuzugänge mit unaussprechbaren Namen.
Solchem Spott entgegnet Magath zunehmend mit Zynismus. Schon immer umgab den gebürtigen Aschaffenburger eine Aura, die zwischen Allwissenheit und Arroganz schwankte, doch dabei wirkte er immer wieder charmant und eloquent. Diese Momente sind seltener geworden; sein Misstrauen hat noch zugenommen. Auch dem Gastspiel bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, den er 2005 und 2006 zum Double führte, sieht er eher freudlos entgegen: "Der FC Bayern hat die bessere Mannschaft und ist klarer Favorit."
Wolfsburg, vorerst eine Großbaustelle
Zwar ist Torjäger Mario Mandzukic wieder fit, aber der VfL bleibt vorerst eine Großbaustelle. Auch weil die Spieler auf dem Platz so wenig kommunizieren wie Magath selbst. Einfühlsame Einzelgespräche sind in seinem Erziehungskonzept nicht vorgesehen. Erst diese Woche hat sich der Profi Hans Sarpei beklagt, Magath habe schon in seiner Schalker Zeit "kaum geredet". Dessen Arbeitsweise fußt auf "Angst und Druck", wie Oliver Kahn einst sagte.
Manchem Wolfsburger Neuzugang dürfte in München indes aus anderen Gründen bange werden: "Für viele ist das Tempo in der stärksten Liga der Welt noch zu hoch", sagte Magath bereits nach dem Köln-Spiel. Immerhin: Sein Toptransfer, der 8 Millionen Euro teure Schweizer Linksverteidiger Ricardo Rodriguez, hat mit dem FC Zürich gegen Bayern in der Champions-League-Qualifikation gespielt und gegen Arjen Robben gut ausgesehen. Ein Lichtblick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“