Klinik in Spremberg (Brandenburg): Das Krankenhaus der Mitarbeiter
Vor 20 Jahren kauften die Mitarbeiter gemeinsam die Klinik Spremberg. Heute sind sie zufriedener – und die Patienten auch.
Am Eingang wartet bereits Kathrin Möbius, die Geschäftsführerin des Hauses. Auf dem Weg zu ihrem Büro grüßt sie ihre Vorgesetzten: Pfleger, Kantinenmitarbeiter und Ärzte. 281 der etwa 300 Mitarbeiter sind Mitglieder des Fördervereins und damit in allen wichtigen Belangen stimmberechtigt.
„Verantwortung an die Basis übertragen“, nennt Möbius das. In ihrem geräumigen Büro erzählt die 58-Jährige, wie es der Belegschaft vor zwanzig Jahren gelang, das Krankenhaus zu übernehmen. Die Geschichte beginnt in der Nachwendezeit, der Osten wird zum Eldorado für Investoren.
Privatisierung ist das Dogma der frühen 90er, und so wird auch das kleine Krankenhaus in Spremberg 1992 teilprivatisiert. 50 Prozent der Anteile gehen an zwei Privatinvestoren, zunächst läuft alles gut. Doch die Investoren machen Schulden und es kommt zu Pfändungen. Die Betreibergesellschaft des Spitals muss die Anteile der Investoren einziehen. Es schlägt die Stunde der Mitarbeiter.
Übernahme mit Kehrseite
Anstatt ein Engagement des nächsten Anlegers abzuwarten, wollen die Mitarbeiter mit dem Förderverein 51 Prozent der Anteile und damit das Krankenhaus übernehmen. In wenigen Monaten steht die Finanzierung. 255 Euro müssen die Neumitglieder umgerechnet jeweils bezahlen, 158.000 Euro muss der Verein insgesamt aufbringen.
„Den Privatinvestoren hat man das Krankenhaus damals für einen symbolischen Euro gegeben“, sagt Möbius spöttisch. Und es gibt einen Haken: Beschlüsse in der Gesellschaft müssen mit 75-prozentiger Mehrheit gefasst werden. Die Kommune, die die restlichen Anteile der Gesellschaft hält, hat also ein faktisches Vetorecht. „Das hätten die keinem privaten Investor in den Vertrag geschrieben und das hätte auch kein Anleger akzeptiert“, sagt Möbius. Der Förderverein willigt dennoch ein.
20 Jahre ist das jetzt her und das Spremberger Modell hat sich gehalten. Die Mitarbeiter verdienen weniger als in anderen Häusern, dafür ist der Betreuungsschlüssel höher. Ein Pfleger ist etwa für sechs bis sieben Patienten zuständig. Im Bundesschnitt sind es laut Verdi 10,3, im Nachbarland Schweiz gar nur 5,5. Das Spremberger Modell könnte man als „weniger Stress gegen weniger Geld“ beschreiben. Etwa 100 Euro brutto verdienen Pflegekräfte nach dem Haustarifvertrag weniger als in anderen Krankenhäusern.
Krankenpfleger Jörg Liebscher, der auf der Intensivstation gerade einer Patientin nach einer Hüftoperation Schmerzmittel verabreicht hat, fühlt sich dennoch wohl. „Hier ist alles ruhiger und entspannter als in größeren Häusern und der Zugang zur Geschäftsführung ist besser.“ Auch der Betriebsrat lobt die Mitarbeiterzufriedenheit und der Krankenstand liegt mit weniger als fünf Prozent unter dem Bundesschnitt der laut AOK 2014 6,1 Prozent betrug.
Hoher Druck von außen
Ein paar Flure weiter teilen sich drei ältere Herren ein Zimmer. Alle haben eine Hüftoperation hinter sich. „Hier verbringen die Schwestern Zeit mit ihren Patienten“, schwärmt einer der Männer. „Man kann dann auch mal was Privates erzählen.“ 98 Prozent der Patienten sind laut einer AOK-Erhebung mit ihrer Behandlung in Spremberg zufrieden (Bundesschnitt: 82 Prozent). Das ist der beste Wert unter ostdeutschen Krankenhäusern.
Ausschließlich harmonisch ist das Spremberger Modell dennoch nicht. In der Vergangenheit lagerte die Geschäftsführung etwa Teilbetriebe, wie die Krankenhausapotheke oder die Einrichtung zur Physiotherapie aus. Kathrin Möbius musste für die unpopulären Maßnahmen Lobbyarbeit unter den Mitarbeitern betreiben – und setzte sich durch. Neben offener Kommunikation trug auch die Gemeinnützigkeit des Vereins dazu bei, dass sie sich überzeugen ließen. „Es gibt hier eben niemanden, der sich die Gewinne in die eigene Tasche steckt“, sagt sie.
Als kleiner Betrieb im ländlichen Raum steht das Spremberger Krankenhaus aber auch unter besonderem Druck. In Hoyerswerda und Cottbus stehen weit größere Krankenhäuser. Das Land Brandenburg will komplizierte Behandlungen auf diese sogenannten Schwerpunkthäuser konzentrieren.
Ungewisse Zukunft
Dieser Politik fielen auch Einrichtungen in Spremberg zum Opfer. Seit 2011 darf das Krankenhaus zum Beispiel keine Knieendoprothetik (künstliche Kniegelenke) mehr durchführen. Eine halbe Million Euro an jährlichen Einnahmen brach dadurch weg. „Wenn weitere Leistungen aus unserem Angebot gestrichen werden, wird’s kritisch“, sagt Möbius. Denn weniger Leistungen, heißt weniger Patienten. OP-Pfleger und Anästhesisten müssen dennoch bezahlt werden. Bei einem Haus mit 5.600 stationären Patienten jährlich kann jede Kürzung die Existenz gefährden.
Ohnehin sei das Spremberger Modell in der Landespolitik nicht unbedingt beliebt, moniert Möbius. „Anstatt mit einem Träger haben Land und Kommune es bei uns mit 300 Fördervereinsmitglieder zu tun. Das lässt wenig Raum für Hinterzimmerabsprachen.“ Alle Versuche das Spremberger Modell in anderen Häusern zu etablieren, seien von der Landesregierung abgeblockt worden.
Von diesen Konflikten bekommen die Patienten an diesem Nachmittag nichts mit. Einige von ihnen spazieren durch die Gartenanlage. Nur die dröhnenden Baugeräusche aus dem Nebenflügel deuten darauf hin, dass im Spremberger Krankenhaus an der Zukunft gearbeitet wird. Hier soll eine Schwerpunktpraxis für Krebsbehandlungen entstehen.
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