Klimawandel und das Multiversum: Letzter Ausweg Parallelwelt
Filme über das Multiversum haben im Kino derzeit Konjunktur. Das könnte auch etwas mit Entwicklungen wie dem Klimawandel zu tun haben.
„There is no planet B“, lautet der berühmteste Slogan der Klimaschutzbewegung. Er soll zum Ausdruck bringen, was in der Merkel-Ära mit dem Wort „Alternativlosigkeit“ beschrieben worden wäre: Es gibt nur diese eine Erde. Wenn sie kaputt ist, Pech gehabt. Ausweichziele im Weltall bieten sich derzeit zumindest keine. Aber stimmt es, dass die Welt keinen Ausweg hat?
Die Theorie der Parallelwelten bietet eine andere Perspektive. Schon bei den Vorsokratikern machte man sich Gedanken über die Existenz vieler Welten, von 183 kósmoi bis unendlich gingen die Überlegungen. In der Quantenphysik hat sich dann der Begriff „Multiversum“ etabliert, wobei er unterschiedliche Dinge bedeuten kann. In einer Interpretation bezeichnet er die Gesamtheit aller Parallelwelten.
Was eine attraktive Idee sein kann: Bin ich in dieser Welt nicht ganz zufrieden mit dem, was oder wie ich bin, habe ich noch potenziell unendlich weitere Möglichkeiten, in anderen Welten zu sein. Mein Scheitern hier kann durch Glück oder Erfolg in zahllosen anderen Welten ausgeglichen werden.
Gleich zwei Filme spielen derzeit im Kino mit den Vorzügen des Multiversums: „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ von Sam Raimi, der am Donnerstag gestartet ist, und „Everything Everywhere All at Once“ von Dan Kwan und Daniel Scheinert, eine Woche zuvor angelaufen. In beiden Fällen lösen die Protagonisten, einmal der titelgebende Dr. Strange (Benedict Cumberbatch), im anderen Fall die kalifornische Waschsalonbetreiberin Evelyn Wang (Michelle Yeoh) ihre Schwierigkeiten durch Reisen von einer Parallelwelt in die nächste.
„Doctor Strange in the Multiverse of Madness“. Regie: Sam Raimi. Mit Benedict Cumberbatch, Elizabeth Olsen u.a. USA 2022, 126 Min.
„Everything Everywhere All at Once“. Regie: Dan Kwan, Daniel Scheinert. Mit Michelle Yeoh, Jamie Lee Curtis u.a. USA 2022, 139 Min.
Und beide Male geht das so rasant wie kunterbunt zu, bei „Doctor Strange“ etwas sinnbefreiter, bei „Everything Everywhere“ mit weniger Budget, aber mehr Fantasie und überzeugenderen Charakteren: Neben Michelle Yeoh lohnt der Film allein schon für Jamie Lee Curtis, versteckt hinter einer echt bösen Maske, in der Rolle als Finanzbeamtin.
Unbehagen in der Welt
Dass das Thema Multiversum aktuell so gern zum Geschichtenerzählen herangezogen wird, könnte mit einem allgemeinen Unbehagen in der Welt zu tun haben. Der Klimawandel engt in der Wahrnehmung vieler Menschen den Horizont der Zukunft ein. Überhaupt hat das Wort „Zukunft“ unter jüngeren Leuten anscheinend seinen neutralen Klang verloren und reimt sich bevorzugt auf „Angst“.
Der Eskapismus von früher, ausweichen in die fiktiven Welten, die Künste oder Drogen verheißen, hat gegenüber den Parallelwelten den entscheidenden Nachteil, dass man von der Fiktion, vorausgesetzt man bleibt nicht auf einem Trip hängen, irgendwann wieder zurück muss in die Realität. Parallelwelten hingegen sind einfach da. Immerhin ein trostreicher Gedanke.
Die Erzählungen von „Doctor Strange“ und „Everything Everywhere“ sind allerdings zugleich so aufgebaut, dass eine unmittelbare Gefahr für die hiesige Welt stets aus einer anderen Welt droht. Ganz so einfach ist es mit der Flucht in die Parallelwelten dann vielleicht doch nicht. Die Probleme, die man hat, muss man am Ende immer hier lösen. Steuererklärung, Welt(en) retten oder was sonst gerade ansteht.
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