Klimawandel in der Arktis: Hitzewelle auf Spitzbergen

Vier Tage hintereinander über 20 Grad – das hat es auf Spitzbergen noch nie gegeben. Der Rückzug des Permafrosts bringt die Infrastruktur ins Wanken.

Das deutsche Eisbrecher- und Forschungsschiff Polarstern ankert in einem Hafen in Tromso, Spitzbergen.

Wird auf Spitzbergen bald nicht mehr benötigt: das deutsche Eisbrecherschiff „Polarstern“ Foto: DPA

STOCKHOLM taz | „Eigentlich ist es ja fantastisch“, sagt Per Nilssen: „Die Leute sind tagelang in Shorts herumgelaufen, es herrschte regelrechte Mittelmeerstimung.“ So richtig genießen kann der Chef der Kohlegrube Nr. 7 auf Spitzbergen die Hitzewelle aber nicht: „Nein, wir haben plötzlich ganz viel Arbeit“, sagt er. „Das mit dem Schmelzwasser hatten wir noch nie.“

Auf dem Spitzbergen-Archipel, rund 1.000 Kilometer vom Nordpol entfernt, gab es in der vergangenen Woche vier Tage hintereinander Temperaturen um die 20 Grad. Am vorletzten Samstag war mit 21,7 Grad sogar ein neuer Temperaturrekord aufgestellt worden. Eine höhere Temperatur war im europäischen Teil der Arktis noch nie gemessen worden.

„Wir erleben wirklich dramatisch steigende Temperaturen da oben“, sagt Line Båserud, Klimaforscherin an Norwegens Meteorologischem Institut in Oslo: „Weltweit steigen sie umso schneller, je höher wir nach Norden kommen.“ Ursache sei natürlich die globale Erwärmung. „Wenn das Eis schmilzt, bekommen wir mehr offenes Wasser, dessen dunklere Oberfläche mehr Sonnenenergie aufnimmt, die Temperaturen weiter steigen und noch mehr Eis schmelzen lässt“, erklärt Båserud.

Und das Arktiseis schmilzt immer schneller. Nach den aktuellen Messungen des Schnee- und Eis-Datenzentrums der Universität Colorado (NSIDC) ist es in diesem Sommer bisher nicht nur weit unter das Durchschnittsniveau der Jahre 1981 bis 2010 abgeschmolzen, sondern liegt auch deutlich unter dem bisherigen Rekordjahr 2012. Die Folge: In den letzten 50 Jahren ist die Durchschnittstemperatur auf Spitzbergen bereits um 4 Grad gestiegen, in den Wintermonaten um 7 Grad.

Schmelzwasser fließt in Kohlegrube

In Kohlegrube Nr. 7, für die Per Nilssen verantwortlich ist, werden jährlich etwa 30.000 Tonnen Kohle für das Kraftwerk gewonnen. Es versorgt die rund 2.300 EinwohnerInnen von Spitzbergens Hauptstadt Longyearbyen mit Strom und Wärme. Die Hitzewelle bescherte der Grube jetzt einen Wassereinbruch. Es stammt vom Schmelzwasser eines nahe gelegenen Gletschers. Die Pumpenkapazität der Grube erwies sich schnell als völlig unzureichend. Nun will man einen Kanal graben, um das Wasser abzuleiten. Die für Mitte August vorgesehene Wiederaufnahme des Grubenbetriebs nach der Sommerpause musste erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Spitzbergen tut gut daran, sich schleunigst auf weitere Folgen des Klimawandels einzustellen. Die im vergangenen Jahr veröffentlichte norwegische Studie „Climate in Svalbard 2100“ erwartet bis zur Jahrhundertwende eine Temperaturerhöhung um 7 bis 10 Grad. Der Permafrost könnte sich 2100 auf Tiefen unter 5 Metern zurückgezogen haben. Was zunehmende Probleme für die Fundamente von Häusern und andere Infrastruktur bedeuten wird. Mehrere Wohnhäuser sind bereits unbewohnbar. In Longyearbyen rechnet man mit 250 Gebäuden, die abgerissen und auf Stahlpfeilern neu errichtet werden müssen.

Auch die Konstruktion der globalen Saatgutbank Svalbard Global Seed Vault, die 2008 eingeweiht wurde und bei der man davon ausging, dass diese für die nächsten 200 Jahre komplett von Permafrost umgeben sein würde, musste bereits nachgerüstet werden.

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