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Klimastudie zur ChemieindustrieDas dreckigste Dutzend

Die Chemieindustrie verursacht 14 Prozent aller CO2-Emissionen im Industriesektor. Wie geht das grüner?, fragt nun eine Studie im Auftrag des WWF.

Das Werksgelände von BASF am Rheinufer von Ludwigshafen Foto: imagebroker/imago

Berlin taz | Die zwölf Chemieparks in Deutschland, die am meisten CO2 emittieren, sind verantwortlich für 14 Prozent der gesamten industriellen Emissionen in Deutschland. Zugleich macht dieses „dreckige Dutzend“ rund 3 Prozent der deutschen Treib­hausgasemissionen aus. Das zeigt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Umweltorganisation WWF. Angeführt wird die Liste von der BASF in Ludwigshafen. Das Werk bläst mit 5,9 Millionen Tonnen im Jahr 2022 mit Abstand am meisten CO2 in die Atmosphäre. Insgesamt haben die zwölf größten Anlagen 23 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Luft gepustet.

„Es braucht eine strukturelle Veränderung“, sagt Vivia­ne Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. Ausgangspunkt der Analyse war die 2023 publizierte Studie zu den größten Emittenten der deutschen Industrie, den „dirty thirty“ („dreckigen 30“) der Industrieanlagen, aus den Branchen Eisen und Stahl, Zement und Chemie. Nun hat das Öko-Institut spe­ziell die Chemieindustrie genauer unter die Lupe genommen. Die Analyse soll auch helfen, Strategien für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Chemiesektor aufzuzeigen.

Mit 40 Prozent den größten Anteil an der Luftverschmutzung haben die Kraftwerke, welche die Chemieanlagen mit Energie versorgen. Dabei handelt es sich um Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die in einem Kraftwerk gleichzeitig elektrische und thermische Energie erzeugen. Danach folgen mit 24 Prozent die Emissio­nen aus Steamcrackern. Das sind Anlagen, die zur Herstellung von Grundchemikalien benötigt werden, wofür sehr hohe Temperaturen erforderlich sind. An dritter Stelle folgen mit einem Anteil von 14 Prozent die Ammoniakanlagen. Grundsätzlich zieht die Herstellung von Grundstoffen hohe Emissionen nach sich, die weitere Verarbeitung verursacht im Vergleich eher niedrige Emissionen.

Florian Fabian, BASF-Sprecher, sagt auf Anfrage, man strebe in Ludwigshafen bis 2045 „Netto-null-CO2-Emissionen an“. Am Standort würde BASF verstärkt den Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Entwicklung und den Einsatz CO2-freier Verfahren vorantreiben. Darüber hinaus plane der Chemiekonzern unter anderem den Bau eines Solarparks. „Die Elektrifizierung des Standorts Ludwigshafen ist ein weiterer wichtiger Baustein.“

Grundsätzlich gibt es gemäß Studie einige Hebel für die Chemieindustrie. Die Nutzung von erneuerbaren Energien ist grundlegend. Doch bisher sind in der Chemieindustrie viele Prozesse noch so ausgelegt, dass sie einen dauerhaften Strombedarf haben. Bei der Nutzung von erneuerbaren Energien müsse sich der Stromverbrauch aber stärker an der tatsächlichen Produktion von Wind- und Solarenergie orientieren.

Die Analyse zeigt Strategien für eine CO2-Reduzierung im Chemiesektor

Stromnutzung muss flexibler werden

Dafür müssen wiederum die ökonomischen Anreize stimmen. „Um flexiblen Strombezug nicht mehr durch hohe Leistungspreise zu benachteiligen, ist es notwendig, die Stromnetzentgeltverordnung umzugestalten, resümiert Hauke Hermann, Wissenschaftler und Studienautor beim Öko-Institut. Dies würde auch einen flexibleren Einsatz der Kraftwerke ermöglichen, so Hermann. „Außerdem sollten ab 2026 fossile Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen nicht mehr gefördert werden.“ Es sei notwendig, dass neue Anlagen auf grünen Wasserstoff umgestellt werden.

Der Strombedarf der Chemieindustrie wird also wachsen. Die Unternehmen seien auch gefragt, heißt es am Dienstag von den Studienautor:innen, künftig nach den Kriterien der Kreislaufwirtschaft zu produzieren: „Weniger Ressourcenverbrauch, mehr Recycling und bessere Materialeffizienz“ fänden noch zu wenig Beachtung. Man fordere deshalb auch eine Ressourcensteuer für Verpackungen. „Umweltkosten müssen sich endlich auch im Preis niederschlagen“, sagt Raddatz.

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2 Kommentare

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  • "Doch bisher sind in der Chemieindustrie viele Prozesse noch so ausgelegt, dass sie einen dauerhaften Strombedarf haben."



    Um das zu ändern, muss man doch nur den dummen Molekülen erklären, dass sie nicht so pingelig auf Änderungen von Prozessparametern reagieren sollen.

  • Die chemische Industrie hat zusammen mit der IGBCE ein Konzept für die Umstellung auf alternative Energie erarbeitet. Solche Veränderungen erfordern Jahrzehntelange Arbeit. Es wird auch gerne übersehen dass dadurch auch der Energiebedarf steigen wird - Kreislauf Wirtschaft ist ein gutes Beispiel.