Klimaschutz in Brasilien: Der schwierige Abschied von den Fossilen
Brasiliens Präsident Lula will in 60 Tagen einen Fahrplan für die Energiewende vorlegen. Klimaschützer begrüßen das Vorhaben.
Die Abkehr von den Fossilen muss sein, und doch geht es damit kaum voran. Am vergangenen Montag hat Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva nun ein Machtwort gesprochen: Gleich vier Ministerien – Bergbau und Energie, Umwelt, Präsidentschaftsministerium und Fazenda – sollen zusammen binnen 60 Tagen einen Plan für den „Übergang“ vorlegen. In der vergangenen Woche haben die Minister:innen erste Gespräche darüber aufgenommen.
Mit „Übergang“ ist die graduelle Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gemeint. Finanziert werden soll diese Verringerung zumindest teilweise durch Einnahmen aus der Gas- und Erdölförderung.
Bedeutet das nun weniger Engagement? Vom totalen Ausstieg war vor Jahren die Rede, später wurde daraus eine Transition weg von den Fossilen, dann ein Überwinden der Abhängigkeit von ihnen, jetzt ist eine graduelle Reduktion dieser Anhängigkeit angestrebt.
Ist das ein Zeichen für das Aufweichen der Begriffe und des politischen Willens? Oder geht es darum, Zweifler und Gegner nicht vor den Kopf zu stoßen? In englischsprachigen Medienberichten wird die Transition übrigens weiterhin mit „Phase out“, dem Wort für Ausstieg, übersetzt.
Umweltministerin Marina Silva
So kurz nach der Klimakonferenz COP 30 das Thema aufzugreifen, das es in Belém nicht bis ins Abschlusspapier geschafft hatte, sei auf jeden Fall ein gutes Zeichen, meint die ehemalige Greenpeace-Leiterin und Politikerin Jennifer Morgan. Andere Umweltschützer geben ihr recht. Viele hatten als Ergebnis der UNO-Klimakonferenz einen internationalen Ausstiegsfahrplan mit bindenden Zeitvorgaben erwartet.
Vor allem COP-CEO Ana Toni hatte immer wieder darauf gedrängt, einen solchen globalen Fahrplan zu formulieren. Dutzende teilnehmende Länder wollten sich tatsächlich festlegen, aber rund 80 Gegenstimmen blockierten die Idee. So gesehen, mag ein nationaler brasilianischer Fahrplan Sinn machen und andere Länder inspirieren, es Brasilien gleichzutun. COP-Gastgeber Andre Correa do Lago wird parallel an einem internationalen Fahrplan arbeiten.
Im April 2026 wird im kolumbianischen Cartagena die erste internationale Konferenz für die Energiewende abgehalten. Dort könnte ein brasilianischer Fahrplan zur Diskussion vorgelegt werden. Auch wenn es paradox erscheint, dass ausgerechnet die Auslöser des Klimawandels die Maßnahmen für den Ausstieg finanzieren sollen.
„Ein Großteil dieses Fahrplans existiert schon, wenn wir uns ansehen, was wir bereits haben“, sagt Umweltministerin Marina Silva optimistisch. Gleichzeitig warnt sie, dass die Umstellung Jahre dauern könne. Brasiliens Energiematrix weist heute zwar schon 45 Prozent saubere Energie auf, aber im Widerspruch zum geplanten Ausstieg wird Brasilien die Erdölförderung in den kommenden Jahren ausweiten, von Lula damit begründet, dass diese Einnahmen für die Energiewende gebraucht würden.
Das Ergebnis steht noch in den Sternen
Wenn Brasilien zeige, dass es bereit ist, vom Wort zur Tat zu gelangen, hofft Claudio Angelo vom Climate Observer, werde es schwieriger für die anderen Länder, zu sagen, sie seien dazu nicht in der Lage. Sein Kollege Marcio Astrini gibt zu bedenken, dass es zwar wunderbar sei, die Initiative zu ergreifen, dass ein gutes Ergebnis aber ebenso wichtig sei. Und das steht momentan noch in den Sternen. Lulas Forderung sagt nichts über Zeitpläne oder darüber, wann und für wen der Plan bindend sein wird.
Zunächst soll das Dokument dem nationalen Rat für Energiepolitik vorgelegt werden. Das Umweltministerium hat derweil eine Studie in Auftrag gegeben, die elf Länder auf ihre Fähigkeit untersucht, ihre Energiematrix anzupassen. Brasilien liegt dabei hinter Deutschland, China, Kanada und den USA. Dem Land wird eine nur mittlere Befähigung attestiert.
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