Klimarettung für alle: Werbung für winzige Wälder
Mit einem „Mobilen Wald“ macht sich der Bremer Verein Ausspann für „Tiny Forests“ stark. Sie anzupflanzen soll in Städten ein bisschen Klima retten.
„Überlebenswichtig: Wald statt Asphalt“ übersetzt ein Transparent die mit ihm erhobene Forderung in eine griffige Formel. Seine nächste Station hätte die vollständig versiegelte Überseestadt sein sollen, aber das klappt jetzt aus persönlichen Gründen nicht. Danach ist der Stadtteil Walle angepeilt.
Der Wald besteht aus gerade mal 15 Pflanzkübeln, in denen junge Buchen, Eichen, Wurmfarn und auch eine staksige Haselnuss sich gen Himmel recken. Wenig erinnert da an „finstern Tann“ oder rauschende Wipfel. Und doch hat das frische Grün der komplettverpflasterten und mit drei ausgesprochen unförmigen Reiterstandbildern zugeballerten Fläche zwischen Dom, Bürgerschaft und Rathaus einen tröstlichen Akzent verliehen. Einen, der nach Leben aussieht.
Oder gar danach sehnen lässt. „Wir hatten sehr viele Gespräche, während wir hier waren“, resümiert Projektleiter Ronald Philipps vom Kultur- und Integrations-Verein Ausspann die Wirkung der zehntägigen Präsenz seiner Kübel-Skulptur. Viele Tourist*innen hätten Selfies von sich mit den Pflanzen gemacht.
„Das sind die neuen Stadtmusikanten“ flaxt Künstler Philipps, und meint damit nicht nur die offenbar als fotogen empfundene Besetzung des öffentlichen Raums durch seine soziale Skulptur, sondern auch die Herkunft der Pflanzen: „Die sind alle aus hiesigen Gärten ausgesondert“, sagt er. Die Aktion soll in Bremen fürs Konzept der „Tiny Forests“ begeistern, erläutert sein Kollege Frank Riepe.
Gemeinsam pflanzen soll empowern
Gemeint ist damit eine dichte, artenreiche Aufforstung auf Flächen von gerade einmal 100 bis maximal 2.000 Quadratmetern. Sie geschieht ausdrücklich im Kollektiv, durch empowernde nachbarschaftliche Pflanzaktionen, was sie integrativ und sozialpsychologisch extrem wertvoll erscheinen lässt, angesichts der Ängste, die von der voranschreitenden Klimakatastrophe ausgelöst werden.
Ausgangspunktist die 1980 vom Botaniker Akira Miyawaki entwickelte und seither anhand von 1.700 Projekt-Pflanzungen bewiesene Theorie, dass sich auf solchen Kleinstflächen menschlich stimuliert Waldwachstum extrem beschleunigen lässt. So hatten sich aus Miyawakis Mini-Pflanzungen im Laufe eines Jahrzehnts 1.644 zu widerstandsfähigen Ökosystemen entwickelt, knapp 97 Prozent. Das Konzept modifiziert und seine soziale Komponente gestärkt hat dann der indische Toyota-Ingenieur Shubundu Sherma.
Seit 2015 wird es auch in Europa erprobt, überwacht vom niederländischenInstituut voor natuureducatie en duurzaamheid (Institut für Naturerziehung und Nachhaltigkeit, IVN), das den „Tiny Forest“-Begriff markenrechtlich hat schützen lassen. Zugleich wird weltweit erkundet, wie es im städtischen Umfeld funktioniert – und beispielsweise urbane Hitzeinseln beseitigen kann, ein besonders dringliches Anliegen, weil diese sowohl Klimawandel befeuern – als auch von ihm geschaffen werden.
Es gehe „um echten Wald“ betont Boris Kohnke vom Bündnis Citizen Forest. Der Hamburger Verein hat gerade mit einer Pflanz-in-den-Mai-Aktion sein fünfjähriges Bestehen gefeiert. Er war es, der 2019 den ersten Miyawaki-Sherma-Wald in Deutschland gepflanzt hat, im holsteinischen Bönningstedt gleich nördlich von Hamburg Schnelsen. Seither sind etliche dazu gekommen, etwa in Quickborn, in Wandsbek und vor einem Jahr gleich zwei in Altona, an der Thedestraße und beim Bunker im Möller-Park.
Wälder dürfen Urwald werden
„Wenn Sie in Deutschland von Wald reden, dann meinen Sie Plantagen“, erklärt Kohnke. Die Tiny Forests aber seien weder für die Holzbewirtschaftung noch fürs Wandeln unterm Blätterdach konzipiert. „Die werden sich selbst überlassen“, erklärt er. Die von Miyawaki geforderte dichte Pflanzung macht aus ihnen undurchdringliche mehrstöckige Vegetationsgemeinschaften.
Ganz in dem Sinne hat sich auch die Bremer Initiative unterm Dach des Bremer Ausspann-Vereins, die derzeit in Walle und in der Neustadt für konkrete Bewaldungen wirbt MiniatUrwald genannt. „Bremen“, erklärt Frank Riepe, warum das wohl so lange auf sich hat warten lassen, „wird oft als sehr grüne Stadt wahrgenommen.“ Auch dafür sei die Aktion mit dem mobilen Wald wichtig – „weil man dann an den Stellen sehr schnell merkt, wie versiegelt sie doch sind“.
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