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KlimaprotesteDynamik statt Rituale

Kommentar von Claudius Prößer

Fridays for Future will neue Protestformen probieren. Das ist eine ausgezeichnete Idee.

FF­F-Ak­ti­vis­t*in­nen auf dem Berliner Invalidenplatz Foto: dpa

J etzt ist es also definitiv vorbei mit dem freitäglichen Ritual, den Demonstrationen von Fridays for Future vor dem Wirtschafts- und Verkehrsministerium am Invalidenpark in Mitte. Der Inner Circle der Berliner Gruppe hatte sich am vergangenen Wochenende in Klausur begeben und beschlossen, dass es besser sei, andere Formen des Protests gegen die Klimakrise und ihre VerursacherInnen zu erproben. In den Bezirken wollten sie künftig streikdemonstrieren, so Organisatorin Franziska Wessel, vielleicht auch vor Unternehmen wie Siemens. „Unser Adressat ist jetzt mehr die Öffentlichkeit“, sagte sie der taz, „die wollen wir besser informieren, wie schlimm die Klimakrise ist – und wir wollen sie mehr mobilisieren.“

Dass es nicht allzu lange weitergehen konnte mit dem Freitagsstreik, war jedem klar, der in seinem Leben schon ein paarmal die Gelegenheit hatte, das Entstehen und Vergehen sozialer Bewegungen zu beobachten. Sorry für die altersbedingte Abgeklärtheit! Aber die Dynamik eines schnellen und massiven Wachstums – im vergangenen September demonstrierten in Berlin Hunderttausende – lässt sich eben nicht in einen Status quo überführen. Und für die ganz große Revolution ist die Welt wohl doch noch nicht reif.

Wenn aber die Mobilisierungskraft einer Bewegung von Woche zu Woche kleiner wird, ist das ein ebenso starkes Bild wie in der Boomphase, nur ins Negative verkehrt. Wer wächst, gewinnt, wer schrumpft, fährt auf dem Loserticket. In einer Gesellschaft, die sich sekündlich medial bespiegelt und bewertet, kann das letztlich ein Todesurteil sein. Insofern ist die Entscheidung, sich neu zu sortieren, goldrichtig.

Wer wächst, gewinnt, wer schrumpft, fährt auf dem Loserticket

Überhaupt: Invalidenpark! Im Normalfall eine zugige Einöde und nur zur Hochzeit von „Fridays“ ein lebendiger Ort. Mehrere tausend SchülerInnen vor einen Bezirksrathaus, das fühlt sich dann schon wieder nach Masse an, mobilisiert Menschen und beruhigt für ein paar Stunden den klimaschädlichen Verkehr. Auch Sit-ins oder Demos vor Konzernzentralen dürften ausreichend mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Und wie wäre es beispielsweise, würden Horden gut informierter Menschen im schulpflichtigen Alter die bräsigen HauptstädterInnen einer Massenbekehrung zu Ökostrom unterziehen? Vieles ist denkbar, und bisweilen soll es ja auch mal wieder ganz groß werden können.

Eines sollten sich die KlimaaktivistInnen aber gehörig abschminken: dass sie nichts erreicht hätten. So mickrig und halbherzig die ganzen Klimapakete und Kohlekompromisse sein mögen – ohne die Fridays wäre gar nichts passiert. Auch in Berlin ist jede Menge in Bewegung geraten, gerade erst hat der Senat die Klima­notlage erklärt. Auch nur ein dünner Halm, aus dem aber noch etwas wachsen kann – und wird. Jedenfalls, wenn wir alle und vorneweg die Klima-SchülerInnen weitermachen und nicht locker lassen.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein feiner ungeschminkter Artikel, der den Ist-Zustand der Schüler/innen Klimaprotestbewegungen beschreibt.

    Dank der seit 50 Jahren währenden weltweiten Recherchen mutiger Redaktionen der öffentlich rechtlichen und privaten Medien mit ihren zahlreichen Reportagen und Dokumentationen und modernster Sattelitenbilder, sind die Probleme jedes Quadratmeter Boden unter den Füssen hinreichend bekannt und in umfangreichen Mediatheken frei verfügbar. Danke dafür.

    Diese Saaten der Bildung durch Aufklärung im 21. Jahrhundert beginnen also aufzugehen und werden noch einige Zeit benötigen um sich im Bewusstsein zu verankern. Bis dahin gibt es genügend Möglichkeiten bei allem was wir heute tun oder morgen beabsichtigen zu tun, Nichts und Niemandem mehr vorsätzlich einen Schaden zu zufügen.

    Wie es scheint ist wohl fast jeder Mensch auf dem Blauen Planeten Erde nicht nur Opfer sondern auch Täter zugleich, zu mindestens was die humanistischen, ökonomischen und ökologischen Verhältnisse auf dem Blauen Planeten Erde betrifft.

    Vielleicht ist es sinnvoll die vielen Möglichkeiten der schon bereits vorhandenen Rechtsmittel der demokratischen Institutionen z.B. der Vereinten Nationen, wie die UNESCO oder die der Europäischen Union im Verbund mit den Medien besser zu nutzen, um einen gewaltfreien Weg der Trennung von parteipolitischen, geopolitischen und geostrategischen Interessen der Nationen zum Nutzen des auf die Gemeinschaft bezogenen Gemeinwohl zu finden.

    Da die Heuchelei in der bisherigen Umwelt-, Sozial-, Arbeit-, Kultur- und Bildungspolitik eine der Ursachen für die bestehenden Missstände auf dem Planeten ist, liegt in deren ehrlicher Veränderung auch der gewaltfreie Schlüssel für die Lösungen vieler noch anstehender Aufgaben.

  • Laut Tagesspiegel finden immer mehr Klassenfahrten mit dem Flugzeug statt. Wo, wenn nicht da, könnte FFF definitiv ganz konkret ansetzen?

    • @Suryo:

      Wozu würde uns das führen?



      Gelöst wäre damit kein Problem. Die Klassenfahrten, bei denen das tatsächlich so stattfindet (ist mir neu, kann aber ja sein, bei Schulen mit gut situierter Elternschaft) werden nicht das Gros der Flüge ausmachen.

      Was es braucht sind starke politische Lösungen und nicht die Bitte einer SV an die Schulleitung, die Flüge sein zu lassen.



      FFF will Politiker*innen dazu auffordern, Lösungen zu finden, zur Not welche, die mit Zwängen verbunden sind.



      Denn, wenn wir mal ganz ehrlich mit uns selbst sind, sonst wird das doch sowieso nichts mit Klima retten und so