Klimaprotest in Berlin: Bei Lindner besetzt
Aktivist:innen haben sich Zutritt zum Finanzministerium verschafft. Sie fordern den Schuldenschnitt für arme Länder, die unter der Klimakrise leiden.
Sie kritisieren Lindners Schuldenpolitik gegenüber dem globalen Süden, der stark unter der Klimakrise leidet. Die Zerstörung, die extremes Wetter hinterlässt, treibt arme Staaten oft weiter in die Schuldenspirale. Die Aktivist:innen fordern deshalb einen Schuldenschnitt. Sie argumentieren auch damit, dass Industriestaaten wie Deutschland die Klimakrise hauptsächlich verursacht haben und somit ökologische Schulden bei den armen Ländern hätten.
Die Polizei bestätigte die Besetzung des Finanzministeriums gegenüber der taz. Demnach seien mehrere Dutzend Personen im Eingangsbereich, im zweiten und im vierten Stock festgestellt worden, sagte eine Sprecherin. Teils hätten sich die Aktivist:innen festgeklebt. Um kurz vor 15 Uhr sei die Räumung abgeschlossen gewesen, es werde diverse juristische Verfahren geben, so die Sprecherin.
Lindner reagierte auf Twitter auf den Protest. „In Washington haben wir uns zur Verschuldung mit afrikanischen Staaten getroffen. Da bleiben wir dran“, schrieb er in dem sozialen Netzwerk. „Die Aktion hätte ich also nicht gebraucht, den Dienst hat sie aber nicht gestört.“
Warnung vor Klima-Schuldenkrise
Unabhängig von der Berliner Protestaktion haben internationale Klimaschutz-Organisationen am Montag vorgerechnet, welche finanzielle Last durch die Klimakrise auf arme Länder zukommt. Afrikanische Länder südlich der Sahara müssen aufgrund des Klimawandels innerhalb der nächsten zehn Jahre voraussichtlich mehr als eine Billion Euro an Schulden aufnehmen, teilten das Climate Action Network und das Internationale Aktionsnetzwerk für Schuldengerechtigkeit mit.
Die Summe entspreche einer 50-prozentigen Erhöhung des aktuellen Schuldenstands. Auch Sindra Sharma vom Climate Action Network findet, dass dem globalen Süden durch die Klimakrise ein Schuldenschnitt zusteht. Aber auch darüber hinaus fordert sie mehr Geld von den reichen für die armen Länder. Versprochen haben die fraglichen Regierungen seit 2020 jährliche 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen – vollständig geliefert haben sie die Summe bisher nicht.
„Die Weigerung der entwickelten Länder, ihren fairen Anteil am Klimaschutz zu zahlen, steht in direktem Zusammenhang mit der Schuldenkrise, die sich im globalen Süden entwickelt und noch im kolonialen Erbe verwurzelt ist“, sagte Sharma. Es sei zudem „eine weitere Ungerechtigkeit“, dass es bislang keine internationalen Gelder für den Umgang mit unvermeidbaren Schäden gebe.
Dass die Industrieländer in dieser Hinsicht besonders zurückhaltend sind, hat juristische Gründe. Sie befürchten, dass die Zahlung von Schadensersatz als Schuldeingeständnis gewertet werden könnte – und arme Länder sich so immer mehr Geld einklagen könnten. Nur langsam kommt Bewegung in die Debatte. Dänemark hatte kürzlich als erster UN-Staat angekündigt, Geld für klimawandelbedingte Schäden zur Verfügung zu stellen.
Auch in Kopenhagen kennt man allerdings die Sorge vor weiteren Haftungsansprüchen. Entwicklungsminister Flemming Møller Mortensen wollte deshalb bei seiner Ankündigung das Wort Schadensersatz nicht selbst in den Mund nehmen. „Ich rede nicht über Schadensersatz oder juristische Verantwortlichkeit“, sagte der Sozialdemokrat. „Ich rede davon, die richtigen Mittel zu finden, um den verletzlichsten Menschen zu helfen, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“