Klimapolitik: Wowereit will auf Kohle nicht verzichten

Der Regierende Bürgermeister schließt den Neubau eines Steinkohlekraftwerks in Lichtenberg nicht aus. Gutachten soll Klarheit über dessen Größe und den besten Energieträger bringen.

An der frischen Luft: Umweltsenatorin Lompscher, der Regierende Bürgermeister Wowereit und Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer genießen das gute Stadtklima Bild: DPA

Gestern hat der Senat seine neue Klimaschutzstrategie vorgestellt. Im Jahr 2020 soll demnach im Vergleich zum Jahr 1990 rund 40 Prozent weniger Kohlendioxid in Berlin ausgestoßen werden, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Um die Emissionen des klimaschädlichen Treibhausgases zu senken sollen beispielsweise noch mehr Menschen als bisher auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen. Neubauten sollen in Zukunft ihre Energie zu mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen. Mit öffentlichen und großen privaten Unternehmen werden Klimabündnisse angestrebt. Außerdem sollen die Folgen des Klimawandels für die Kulturlandschaft Berlins genauer untersucht werden. Dafür wurde eine Studie beim Zentrum für Agralandschaftsforschung (ZALF) in Auftrag gegeben.

Der Klimakiller Kohle bleibt für Wowereit eine Energie-Option. "Der Senat kann den Neubau eines Steinkohlekraftwerks zur Zeit nicht ausschließen", sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Anschluss an die Senatssitzung, die am Dienstag ausnahmsweise im Zentrum für Umwelt-, Bio- und Energietechnik in Adlershof stattfand.

Nötig sei eine umfassende Bedarfsanalyse. Davon ausgehend könne man Aussagen über die Dimension und den Energieträger eines neuen Kraftwerks am Standort Klingenberg treffen, so Wowereit weiter. Der Senat wolle einen schrittweisen Umstieg auf erneuerbare Energieträger; eine bezahlbare Versorgung der Bürger müsse allerdings auch gewährleistet werden. Steinkohle schnitte in diesem Punkt bekanntlich besser ab, sagte der Regierende. Die Ergebnisse der Bedarfstudie erwartet er im Frühjahr 2009. Die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisieren dieses Vorgehen und werfen Wowereit vor, er spiele auf Zeit.

Im März 2007 waren Pläne des Kraftwerkbetreibers Vattenfall bekannt geworden, am Standort Klingenberg ein neues Steinkohlekraftwerk mit der Leistung von 800 Megawatt zu bauen - es wäre das mit Abstand größte Kraftwerk Berlins. Ein Neubau dieser Größenordnung würde zusätzliche Emissionen in einem Umfang von 20 Prozent des gesamten Kohlendioxidhaushalts von Berlin ausmachen. Auf Druck der Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus hatte der Senat jedoch im Juni beschlossen, diese Pläne seien bezogen auf die Größe der Anlage, und den geplanten Brennstoff zu überarbeiten.

Der umweltpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Michael Schäfer, hält die Formulierung des Beschlusses jedoch für zu schwammig. "Er lässt viel Raum für Interpretationen, und wenn Vattenfall erst einmal ein neues Kraftwerk beantragt hat, kann man rechtlich dagegen kaum vorgehen", kritisiert Schäfer und verweist auf den Hamburger Streit über das Kohlekraftwerk Moorburg. Um den Klimakiller zu verhindern, müsse der Senat von vornherein mehr Druck auf das Unternehmen ausüben, so Schäfer weiter.

Das beurteilten die zuständigen Fachpolitiker von SPD und Linkspartei im Abgeordnetenhaus anders: Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) sieht es als Erfolg der kritischen Debatte in der Stadt, dass bis heute noch kein Antrag von Vattenfall für ein neues Steinkohlekraftwerk vorliegt. Lompscher hält den Beschluss des Abgeordnetenhauses für unmissverständlich und geht zusätzlich davon aus, dass Vattenfall - einer der größten Arbeitgeber Berlins - keine Entscheidung gegen die Mehrheit der Stadt treffen wird. Zur Ankündigung von Wowereit, das Gutachten abzuwarten, bis sich der Senat auf eine genaue Haltung zur Größe und den Energieträger festlegt, wollte sich Lompscher gegenüber der taz nicht äußern.

Auch Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, ist mit der Linie seines Chefs einverstanden: "Eine frühere Antwort wäre mir lieber, aber Vorrang muss haben, dass die Antwort schlüssig und damit nachhaltig ist." TILL BELOW

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