Klimanotstand auf dem Land: Ein bisschen anschlussfähiger bitte

Das Bewusstsein für die globale Klimakatastrophe zu schärfen, ist wichtig. Die Kunst besteht darin, möglichst viele dabei mitzunehmen.

Idyllisches Binnengewässer mit Booten und Anlegestelle

An der Havel muss man schon genau hinsehen, um den Klimanotstand zu entdecken Foto: imago images/Westend61

Hallihallo! Der Notstand naht! Oder besser: Er ist schon da. Auch in meiner kleinen Gemeinde in Brandenburg gibt es mittlerweile eine Gruppe umweltbewusster Menschen, die wollen, dass die Stadtverwaltung offiziell den Klimanotstand ausruft. Aber was heißt „wollen“? Das ist eine Forderung.

Im Grunde ist so ein Klimanotstand eine tadellose Sache. Das Stadtparlament stellt fest, was ohnehin bekannt ist: dass unsere liebe Erde ein Problem hat. Und die Verwaltung erklärt sich deshalb bereit, künftig bei allen Themen klimapolitische Folgen mitzudenken. Am besten auch gleich die klügeren Entscheidungen zu treffen, wenn es etwa um die bauökologische Sanierung der Grundschule geht, um Parkplätze und Radwege.

Das Problem ist, wie so oft in der Politik, die Verkaufe. Notstand – bei diesem Wort sehe ich unseren gewesenen Landesvater Matthias Platzeck den gebrochenen Oderdeich inspizieren. Ich höre Lalülala und Bombenalarm und sehe einen Bunker vor mir, gefüllt mit Trinkwasser, Klopapier und den letzten trockenen Streichhölzern. Was ich hingegen nicht sehe, ist unsere kleine grüne Stadt, die sich gemütlich ans Flussufer schmiegt und in der wir eher zu viel als zu wenig Biomasse zu haben scheinen, schaue ich mir die riesigen illegalen Rasenschnitthaufen am Waldesrand an.

Im Ernst. Natürlich hat Greta Thunberg recht. Überhaupt alle, die angesichts schmelzender Gletscher und brennender Regenwälder nicht mehr so weiterleben wollen und können wie bisher. Und selbstverständlich handelt es sich um denkfaule und langweilige Personen, die rhabarbern, solange die Leute in Indien und China weiter ihre Umwelt versotten, sähen sie für sich persönlich keinen Handlungsbedarf. Sollen doch deutsche Ingenieure was erfinden!

Aber. Wäre es nicht sinnvoll, wenn umwelt- und klimapolitisches Handeln auch anschlussfähig wäre? Und wäre es nicht die klügere Haltung der NotstandsverfechterInnen, mal von diesem Zerstörervokabular runterzukommen und in einfachen Worten zu erklären, was zu gewinnen wäre? Wie viel schöner und leichter unser Leben sein könnte, wenn wir zusammen was auf die Beine stellten? Man ist ja lieber bei den Coolen dabei statt bei den Bescheidwissern. Stattdessen: Längliche und Widerspruch eher nicht schätzende Belehrungen in der kleinstädtischen Facebook-Gruppe, in der durchaus Leute ohne eigenen Garten und ohne Geld für den Bioladen unterwegs sind.

Gerade wurde auf dem Spielplatz der Eichenprozessionsspinner festgestellt. Der Buchsbaumzünsler zerstört die Hecken. Die Badestelle verlandet. Gartenwasserpumpen fallen trocken. Und schon im August färbt sich das Laub des Hartriegels rot. Alles Klimawandel, alles Scheiße. Wir spüren: Da geht was kaputt. Eine freundliche Einladung zum Mitmachen wäre echt nett. Dann klappt's auch mit den Nachbarn.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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