Klimakrise an der Grenze Iran/Irak: Das Sterben der Walnussbäume

Die Grenzregion Hawraman hat immer von ihren Nussplantagen gelebt. Doch die alten Bäume kommen mit der Erderhitzung nicht mehr klar.

Blick über die region Hawraman

Die Farben des Herbstes verwischen die Folgen der Klimakrise: Blick auf die Stadt Hawraman Foto: Faraq Faraj/Anadolu Agency

HAWRAMAN taz | Einst waren es fruchtbare Täler. Aber dieses Jahr hat die Region von Hawraman unter „der schlimmsten Dürre gelitten“, sagt Omid Ahmad. Der Leiter des Landwirtschaftsamts in Byara in der ostirakischen Provinz Halabja ist tief besorgt. Vor drei Jahren habe die Trockenheit begonnen und sei dann immer zerstörerischer geworden, so Ahmad. Vor allem im Hochland werde das Wasser immer knapper.

Hawraman ist eine einsame und im Winter schneebedeckte Region mit 24 an die Berge geschmiegten Dörfern und einst etwa 92.000 Walnussbäumen. Die Be­woh­ne­r:in­nen haben ihre Lebensweise mit den Jahrhunderten an die raue Bergwelt angepasst. Obst und Nüsse werden hier vielfach auf Steinterrassen angebaut, Viehzucht und die jahreszeitlich bedingte sogenannte vertikale Migration gehören für die kurdischen Hawrami dazu – sie leben im Winter im Tiefland, im Sommer zieht es sie höher in die Berge.

Wegen ihrer Einzigartigkeit hat die Unesco die im Iran und Irak gelegenen Hawramat- und die nahe Uramanat-Region vor zwei Jahren zum Weltkulturerbe ernannt. Auf bis zu 3.000 Metern Höhe leben viele mehr oder weniger seltene Pflanzen- und Tierarten, auch persische Leoparden, Braunbären, Mufflons und Wölfe.

Nun ist der Grundwasserspiegel gesunken, viele Bäche und Gewässer sind ausgetrocknet. Das vertragen die hier typischen Walnussbäume nicht: 2021 und 2022 verdorrten rund 30.000 Exemplare, in diesem Jahr sind es wahrscheinlich noch mehr, sagt Ahmad. Vor allem die ältesten Walnussbäume, die zwischen 100 und 300 Jahre alt sind, litten unter dem ausbleibenden Regen. Inzwischen seien auch nahezu 150 der etwa 250 Quellen in der Region versiegt, sagt Ahmad.

Aus 150 mach 10

„Ich habe diesen Garten von meinem Vater und meinem Großvater geerbt“, erzählt Yunus Abdul Khaliq. Die Walnussplantage des 70-Jährigen ist etwa zwei Hektar groß. Früher hat er mit seinen 150 Bäumen jedes Jahr etwa eine Tonne Nüsse verkauft. Die Ware ging zunächst in den Irak, dann in die Vereinigten Arabischen Emirate und bis nach Dubai. Jetzt sind nur noch 10 Bäume übrig. „Ich habe neun Mitglieder in meiner Familie, deren Lebensunterhalt von den Walnüssen abhängt“, sagt Khaliq. Er sei verzweifelt. Die Behörden täten nichts: „Die Generaldirektion für Landwirtschaft und die Regierung haben uns überhaupt nicht geholfen.“

Es sei fast unmöglich, die Walnussbauern zu unterstützen, sagt Omid Ahmed vom Landwirtschaftsamt in Byara: „Wir können nicht mit Brunnenwasser oder Wasser aus Zisternen helfen – das ist viel zu teuer.“ Auch an Hilfe aus der Hauptstadt Bagdad sei überhaupt nicht zu denken, so Ahmed: „Das Landwirtschaftsministerium ist das unfähigste Ministerium mit dem geringsten Budget.“

Auch Fakhraddin Mustafa aus Horaman hat eine 2,5 Hektar große Walnussplantage mit 110 Bäumen – und mittlerweile aufgrund der Dürre zweieinhalb Millionen irakische Dinar verloren, etwa 1.800 Euro. Anstatt 200 Kilogramm wie in normalen Jahren hat er in diesem Jahr gerade einmal 10 Kilo Walnüsse ernten können. Überhaupt sind nur noch 10 Walnussbäume übrig, und auch die sind schon geschwächt. „Denn gleichzeitig haben sich Keime und Würmer wie Krebsgeschwüre in unseren Bäumen ausgebreitet“, erzählt Mustafa. Die Pflanzen seien wegen der Trockenheit besonders leicht angreifbar gewesen.

Neue Arten gesucht

Mustafa, der auch Universitätsprofessor und Agraringenieur ist, arbeitet seit langem im Walnussanbau. Jeden Tag reist er von weitem an, um seinen Garten zu pflegen. „Die Früchte der Hawraman-Bäume haben einen guten Geschmack und einen hohen Fettgehalt – deshalb sind sie auch sehr gefragt und teuer. Während ein Kilo normale Walnüsse am Markt 6.000 Dinar (4,30 Euro) kostet, bringt ein Kilo Hawraman-Nüsse etwa 9.000 Dinar (6,50 Euro).

Mustafa meint, der Klimawandel mache das Wachstum von Nussbäumen in der Region unmöglich: „Ich werde sie durch Granatapfel- und Feigenbäume ersetzen.“

Die Produktion in Kurdistan sei stark rückläufig, erklärt Agraramtsleiter Ahmad: „Anstatt jährlich 35 Millionen produzieren wir derzeit nur etwa 5 Millionen Nüsse.“ Es gebe keine Pläne, wie die Nussbäume erhalten bleiben könnten. „Die Bauern“, so Ahmad, „haben ja aus Angst vor dem Austrocknen ihrer Gärten auch noch Wasserbrunnen neben den Bächen gebaut. Das hat dazu geführt, dass die meisten Quellen versiegt sind.“

Auch Saman Abdulrahman, Präsident des Pflanzeninstituts an der Amerikanischen Universität im kurdischen Sulaimani, hält die Zukunft der Walnuss in der Region für stark gefährdet. Die Trockenheit setze „den Bäumen schwer zu, sie hören auf zu wachsen, verlieren Produktivität, dann werden sie von Krankheiten, Würmern und Keimen befallen“, so Abdulrahman. Für ihn gibt es nur eine Lösung: „Die Landwirte müssen geschult werden, Bäume anzupflanzen, die gegen den Klimawandel resistent sind.“

Transparenzhinweis: Der Artikel ist mit Unterstützung der taz Panter Stiftung entstanden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.