Geologe über Amazonas-Dürre: „Tod der Delfine macht uns Angst“

120 Delfine verendeten am Ufer des unter Dürre leidenden Amazonas. Der Geologe Pedro Luis Cortes fürchtet, dass der Klimawandel noch mehr Schaden anrichtet.

Toter Flussdelfin

Tod am Amazonas: Forscher untersuchen einen verendeten Delfin Foto: Bruno Kelly/reuters

taz: Rund 120 Flussdelfine sind im Amazonas verendet. Hat ihr Tod mit der aktuellen Hitze und Trockenheit in der Region zu tun?

Pedro Luiz Côrtes: Das gesamte Ökosystem ist durch die Dürre aus dem Gleichgewicht geraten. Der Tod der Flussdelfine macht uns große Angst, denn Amazonien hat die trockenste Phase des Jahres noch nicht erreicht. Im schlimmsten Fall könnte das Absinken und Aufheizen der Flüsse dazu führen, dass einige Tierarten ausgerottet werden, nicht nur die Delfine, sondern auch Fischarten.

Der Geologe und Professor an der Universität von São Paulo (USP) forscht seit vielen Jahren zu Umweltthemen und koordiniert den Masterstudiengang Umweltstudien.

Derzeit erlebt Amazonien eine massive Dürre. Es regnet kaum, die Temperaturen sind überdurchschnittlich hoch, Flüsse trocken aus. Wie ist das zu erklären?

Mit dem Wetterphänomen El Niño kam es zu starken Regenfällen im Süden Brasiliens, gleichzeitig regnete es viel weniger im Norden und Nordosten des Landes. Das ist nicht ungewöhnlich für einen El Niño. Was wir aber auch noch beobachten: Die Folgen solcher Wetterphänomene werden immer extremer. Wenn es regnet, dann sehr stark. Wenn es trocken ist, ist es sehr trocken.

Warum?

Das hängt mit dem Klimawandel zusammen. El Niño oder La Niña sind natürliche Phänomene. Durch deutlich mehr Wärme und Energie in der Erdatmosphäre, werden Extremwetterereignisse verstärkt. Deshalb erleben wir derzeit so starke Regenfälle und Trockenphasen.

Forscher untersuchen toten Flussdelfin

Experten des Mamiraua Instituts für nachhaltige Entwicklung untersuchen einen toten Delfin Foto: Bruno Kelly/reuters

Können Sie das genauer erklären?

Bei normalen Temperaturen verdunstet Wasser stückweise, die Wolken haben längere Zeit, um sich auszubreiten. Der Treibhauseffekt führt zu mehr Energie, höheren Temperaturen. Dadurch geschieht die Verdunstung viel schneller, es bilden sich schneller Wolken. So kommt es zu einem Ungleichgewicht. Deshalb regnet es in einigen Regionen so stark und in anderen, wie derzeit in Amazonien, überhaupt nicht.

Wenn wir über Amazonien sprechen, wird häufig vergessen, dass dort 30 Millionen Menschen leben. Was bedeutet die aktuelle Trockenphase für sie?

Sie hat dramatische Auswirkungen, denn die Flüsse sind von zentraler Bedeutung für diese Menschen. Dort transportieren sie Lebensmittel, Wasser, Benzin und vieles Andere. Etliche Dörfer können derzeit nicht versorgt werden, da sie auf dem Flussweg nicht mehr zu erreichen sind. Viele Flüsse sind wegen der Trockenheit einfach nicht tief genug, damit Schiffe darauf fahren können. Das beeinflusst auch die Produktion im Industriegebiet von Manaus (Millionenstadt im Bundesstaat Amazonas, Anm. d. Red.). Dort werden Elektronikprodukte und Motorräder hergestellt. Viele Rohstoffe können nicht angeliefert werden, ähnlich wie im vergangenen Jahr in Deutschland, als die Schifffahrt unter dem Niedrigwasser im Rhein litt.

Und welche Auswirkungen hat die Dürre für den Regenwald?

Der Amazonas-Regenwald ist ein tropischer Feuchtwald, das heißt, er ist von Wasser abhängig. Wenn dieses Wasser nicht in der nötigen Menge zur Verfügung steht, hat das verheerende Auswirkungen. Zum Beispiel trocknen Bäume aus und werden anfälliger für Brände.

Im Januar trat die Regierung unter dem Sozialdemokraten Lula da Silva ihr Amt an. Sie versprach eine radikale Wende in der Umweltpolitik. Zeigt sich das in der derzeitigen Krise?

Leider reagiert die Politik meist nur auf solche Extremwetterereignisse, anstatt sich darauf vorzubereiten. Die Information, dass ein El Niño auf uns zukommt, gibt es schon seit langem. Die letzten Phänomene dieser Art zeigten, dass die Auswirkungen immer extremer ausfallen. Leider haben es Politiker, auf Kommunal- Landes- und Bundesebene, versäumt, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch muss man festhalten: Die Lula-Regierung arbeitet deutlich koordinierter als Ex-Präsident Bolsonaro. Verschiedene Ministerien versuchen, den Be­woh­ne­r:in­nen der betroffenen Regionen zu helfen. Aber nochmal: Es wäre sinnvoll, in die Prävention für solche Umweltkatastrophen zu investieren. Noch in diesem Jahr könnte es zu einem Super-El Niño kommen.

Es ist also mit weiteren Katastrophen zu rechnen?

Ja, leider. Die aktuelle Trockenphase in Amazonien ist alles andere als eine Überraschung. Kürzlich gab es eine historische Dürre in Zentralbrasilien und im Pantanal (Sumpfgebiet im Südwesten Brasiliens, Anm. d. Red.), gefolgt von heftigen Regenfällen. In der Stadt Petrópolis im Bundesstaat Rio de Janeiro regnete es an einem Tag so viel wie normalweise in einem Monat. Im Norden São Paulos kam sogar eine Regenmenge von durchschnittlich zwei Monaten herunter. Wenn wir es nicht schaffen, die Treibhausgas effektiv zu verringern, wird es keinen Wandel geben.

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