Klimakonferenz vor der zweiten Woche: Vorsichtiger Optimismus
Der Entwurf für ein Klimaabkommen ist auf 20 Seiten geschrumpft, doch die wichtigsten Fragen sind noch offen. Zentraler Zankapfel bleibt die Finanzierung.
Der eigentliche Vertragsentwurf ist auf etwa 20 Seiten gekürzt worden und enthält an vielen Punkten noch mehrere widersprüchliche Varianten. Die zentralen Fragen sind weiterhin offen; vor allem das Thema der Finanzhilfen für Entwicklungsländer sorgt für Streit. Die UN-Konferenz soll am kommenden Freitag einen Vertrag beschließen, der den Klimawandel langfristig auf ein erträgliches Maß begrenzt.
„Es liegt echt eine Menge Arbeit auf dem Tisch der Minister“, sagte der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. „Erkennbar nicht relevante, nicht zielführende Vorschläge“ seien gestrichen worden. Der deutsche Unterhändler Karsten Sach unterstrich: „Die wichtigen Fragen sind noch alle offen.“
Lutz Weischer von Germanwatch gab sich vorsichtig optimistisch: „Es ist noch alles drin“, betonte er. „Die Aufgabe für die Minister ist groß, aber im Rahmen des Machbaren.“ Martin Kaiser von Greenpeace erklärte: „Wir sind weiter mit dem Prozess, als wir es je in Kopenhagen waren.“ Die Klimakonferenz 2009 in Dänemark scheiterte – auch wegen großen Zeitverzugs. Als Erfolg der aktuellen Verhandlungen werteten beide Umweltschützer, dass der Entwurf trotz schwieriger Verhandlungen angenommen wurde. Gerade bei Gesprächen im Hintergrund sei viel Vertrauen aufgebaut worden, vermutete Kaiser.
Eine gewisse Bewegung zeichnete sich im neuen Text bei der Zielmarke ab, auf die die Erderwärmung langfristig begrenzt werden soll. Schon das international vereinbarte Ziel von höchstens 2 Grad Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter würde nach Einschätzung von Wissenschaftlern zu gefährlichen Klimaveränderungen führen. Gruppen wie die vom Klimawandel existenziell bedrohten kleinen Inselstaaten pochen deshalb auf ein Ziel von 1,5 Grad. Der Text sieht als Optionen nun „unter 1,5 Grad“ und „deutlich unter 2 Grad“ vor.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Viele Grundsatzfragen sind aber weiter offen. So fordern die Entwicklungsländer, dass die Finanzzusagen der Weltgemeinschaft nach 2020 deutlich aufgestockt werden. Schwierig bleibt auch der Bereich Entschädigung für Folgen des Klimawandels – die USA zum Beispiel fürchten finanzielle Verpflichtungen.
Finanzthema als Knackpunkt
Vor der zweiten Verhandlungswoche auf der UN-Klimakonferenz bleibt die Finanzierung des Klimaschutzes ein zentraler Zankapfel. Neues Futter für die Debatte über Geld für Entwicklungsländer könnte eine Liste des UN-Klimasekretariats liefern, die jüngere Finanzzusagen der Geberländer für die kommenden Jahre abbildet. Aus Verhandlungskreisen hieß es nach der Veröffentlichung am Samstag, anhand von Berechnungen auf Basis dieser Liste ergebe sich für 2020 ein Betrag von 94 Milliarden US-Dollar.
Damit wären die für diesen Zeitpunkt von den Industrieländern versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich aus privaten und öffentlichen Mitteln fast erreicht. Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig kommt jedoch auf eine andere Zahlen und übt grundsätzlich Kritik an der Rechnung der Industriestaaten bei dem Thema. „Wenn man sich darauf beschränkt, was konkret angekündigt wurde, landet man eher bei 82 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020“, sagte er.
Das Finanzthema ist ein Knackpunkt der Pariser Klimaverhandlungen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer wären wohl bereit, ehrgeizigeren Klimazielen zuzustimmen, fordern im Gegenzug aber finanzielle und technische Hilfe. Damit sollen beispielsweise die Öko-Energien ausgebaut und Folgen des Klimawandels bekämpft werden.
Der Unterschied in den Berechnungen ergibt sich in erster Linie aus einer unterschiedlichen Annahme. Auf die 94 Milliarden Dollar kommt, wer annimmt, dass private Mittel in Höhe von 38 Prozent der öffentlichen Mittel hinzukommen. In Verhandlungskreisen heißt es, das sei eine konservative Annahme. Sie entspricht dem Anteil, den die OECD in ihrem Bericht über die Klimafinanzen im vergangenen Jahr festgestellt hatte, als demnach 62 Milliarden Dollar in die Entwicklungsländer flossen. „Das kann durchaus so sein, aber das ist Spekulation“, kommentierte Oxfam-Experte Kowalzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!