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Klimaklage beim VerfassungsgerichtRichtige Zeit, falscher Ort

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Umweltverbände und junge Menschen legen Verfassungsbeschwerde gegen das Klimapaket ein. Doch Karlsruhe ist der falsche Ort für mutige Klimapolitik.

Karlsruhe als Hoffnungsträger für eine bessere Klimapolitik Foto: Fotos: [M] Hans-Peter Merten/mauritius, Kay Nietfeld/dpa

F ür Umweltverbände und die betroffenen jungen Menschen ist der „Gang nach Karlsruhe“ nur logisch. Das Bundesverfassungsgericht ist ihre letzte Hoffnung, dass der Klimaschutz und ihre Zukunft endlich ernst genommen werden. Denn auch nach zwei Hitzesommern, nach wöchentlichem Protest und Großdemonstrationen, nach Warnungen der Wissenschaft und Wahlen, die das Klima zum Thema hatten, steht eine Enttäuschung: ein Gesetz, das zwar ein Fortschritt ist, aber weit hinter dem Nötigen zurückbleibt.

Wie weit, das zeigt der Blick auf den Kalender: Vor einem Jahr legte die „Kohlekommission“ der Regierung ihren Plan zu Ausstieg und Strukturhilfen vor. Und am Mittwoch traf man sich mal wieder, um über Details zu reden, wo und warum es beim Kohleausstieg hakt.

Da ist der Ruf nach dem Über-Gesetzgeber in Karlsruhe verständlich. Aber daraus wird nichts werden. Das Verfassungsgericht ist zu Recht sehr vorsichtig, wenn es darum geht, der Regierung eine bessere Politik vorzuschreiben. Auch und gerade beim Klimaschutz werden sich die Richter kaum zu konkreten Fragen von CO2-Budget und Tempolimit äußern. Der Bundestag kann immer darauf verweisen, dass es ja nun ein Gesetz gibt, so unzureichend dieses auch sein mag.

Karlsruhe ist der falsche Ort für eine effektive Klimapolitik. Denn das Verfassungs­gericht ist dazu verpflichtet, den gesellschaftlichen Ausgleich zu strittigen Fragen zu finden und die Grundrechte aller Beteiligten auszutarieren. Es konserviert damit im besten Sinne des Status quo.

Neue Ideen finden sich nicht im Gerichtssaal

Nichts aber braucht es weniger in der Klimapolitik, wo selbst Angela Merkel in seltener Offenheit von „Disruption“ spricht. Um der Klimakrise ernsthaft etwas entgegenzusetzen, ist ein grundsätzlich neues Denken und Handeln gefordert: ein radikal anderes System von Energie, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Neue Ideen, die alte Industrien überflüssig machen, das bedeutet Konflikt, Reibung, Streit. Da braucht es mutige Politik, Wirtschaft und Forschung, die sich auf Mehrheiten stützen können. All das findet sich aber nicht im Gerichtssaal, sondern auf den Straßen, in den Schulen, Betrieben und den Parlamenten, wo der Protest ja auch herkommt.

So schön das vielleicht wäre: Wer die Zukunft will, kann keine Abkürzung über Karlsruhe nehmen. In der Klimapolitik gibt es keine Alternative zur Klimapolitik.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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2 Kommentare

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  • Wie genau wollen Sie, lieber Autor, ein "ein radikal anderes System" errichten, ohne das Aktuelle Regime zu zwingen?



    Freiwillig werden diese "Menschen" nichts machen, was nicht ihre eigenen Taschen füllt?

  • Leztztlich hinterläßt der Kommentar trotz guter Argumente ein schales Gefühl.

    Erstens, weil diese Kritik nur dann stark wäre, wenn die Umweltschützer nichts anderes täten als eine Verfassungsklage einzuleiten. Das wäre tatsächlich vermutlich zu wenig. Wenn sie sich aber entscheiden, an jeder Front den Kampf aufzunehmen, ist im Sinne der Dringlich- und Wichtigkeit des Themas dem doch nichts entgegenzusetzen.

    Zweitens biegt sich der Autor die Aufgabe des Verfassungsgerichtes etwas zurecht. Das Verfassungsgericht wägt nicht nur Grundrechte gegeneinander ab, sondern es ist auch das Verfassungsorgan, dass Grundrechtsverletzungen des Staates an seinen Bürgern feststellen kann. So wie ich es verstanden habe, ist genau dies das Ziel der Kläger, da der 'Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen' zwar ein Staatsziel mit Verfassungsrang ist, die Umsetzung aber nicht von den Bürgen eingeklagt werden kann.