Klimageld, Ukraine und mehr Niveau: Den Frieden gewinnen
Die Mieten bei Vonovia steigen unerklärlicherweise durch die Inflation. Zudem „gewinnt“ Johnny Depp seinen Rechtsstreit – nur: zu welchem Preis?
![Eine blonde Frau in schwarzem Kleid verlässt ein Gebäude. Hinter ihr zwei weitere Frauen und ein Polizist Eine blonde Frau in schwarzem Kleid verlässt ein Gebäude. Hinter ihr zwei weitere Frauen und ein Polizist](https://taz.de/picture/5599960/14/30302550-1.jpg)
H err Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Kanzler Scholz sagt nicht, die Ukraine solle den Krieg gewinnen.
Und was wird besser in dieser?
Kanzler Scholz sagt, die Ukraine soll den Frieden gewinnen.
Die Immobilienfirma Vonovia erhöht die Mieten – wegen der Inflation. Welche Tipps zur Profitmaximierung würden Sie dem Konzern noch geben?
Die Vonovia enthält unter anderem die früher staatlichen Eisenbahnwohungen, Sarrazin verrubelte die Berliner kommunalen Wohnungen dorthin, die ehedem gewerkschaftliche Gagfah landete dort wie einige Landesbaugesellschaften und Genossenschaften. Nun schimpft SPD-Generalsekretär Kühnert, der Konzern sauge aus 1 Euro Miete 37 Cent Dividende. Das funktioniert auch, weil „der Markt“ einen brutalen Wohnungsmangel produziert hat. Hier – wie in der Pflege und neuerdings bei Tankstellen – fragt sich, was der Staat als Unternehmer eigentlich noch schlechter machen sollte. Die Inflation spielt sich – Energie und Heizung – in den Nebenkosten ab. Das berührt die Eigentümer nicht und muss nicht zu Mieterhöhungen führen. Ihr Ziel sollte sein, ähnlich wie AKW-Betreiber künftig Geld fürs Nichtstun zu bekommen. Einige Haie, die rottige Wohngeldbuden verwalten, sind da nah dran.
Werden Sie eigentlich auch Klimageld bekommen?
Die Straßen sind mit Trost gepflastert: Autofahrer, Öffis und nun Leute, die unfallfrei auf dem Bürgersteig atmen können, werden subventioniert. Lenkungswirkung: null. Das „Klimageld“ der Ampel sollte CO2-Sünder abkassieren und CO2-Sparer belohnen. Statt dieser schönen Theorie gießt der Heilpraktiker nun ein Almosen über alle, die weniger als 4.000 Euro im Monat verdienen. Also die, die davon garantiert keine Wärmepumpe, Solarthermie oder Fassadendämmung kaufen werden. Derzeit senkt der Staat den Spritpreis, den er durch die CO2-Abgabe gleich wieder erhöhen müsste. Ich möchte kein Klimageld, es würde mich zu sehr verwirren.
Jetzt haben wir es, das Urteil im Fall Depp gegen Heard. Welcher Rechtsstreit in der Promiwelt wird uns als nächstes beschäftigen?
Heard kann das Schmerzensgeld nicht aufbringen und wird deswegen eh in Berufung gehen: also erst mal Zugabe. Das Publikum auch in Deutschland teilte sich in zwei Fraktionen: Die Frau möge obsiegen gegen die ewige Männerdominanz – und der Mann möge Recht bekommen gegen die notorische Vorverurteilung des Mannes. Das Niveau dieser Debatte tunnelte spielerisch, sagen wir mal, wie eine Fehde zwischen einem betrunkenen Schalker und einem BVB-Hool beim Klären einer Elfmeterszene. Nur, dass die Fußballideologen für sich keine intellektuelle und moralische Überlegenheit beanspruchen. Der Schiedsrichterspruch ist dann nur noch Beweis der Ausgangsmeinung. Wichtiger ist jedoch der willkommene Anlass, den jeweiligen Gegner herabzuwürdigen. In Deutschland schwelt seit fast zwei Jahren die Causa Mockridge; auch hier leisten Teile der Realität Widerstand gegen das allseits gewünschte Schwarz-Weiß.
Vergangene Woche zählte der Angriffskrieg auf die Ukraine den 100. Tag. Haben wir uns zu sehr an ihn gewöhnt?
Jedenfalls genug, um keine Friedensdebatte zu führen.
Jetzt wurde das Sondervermögen für die Bundeswehr tatsächlich beschlossen. Ende gut, alles gut?
Wer 50 Milliarden jährlich so anlegen kann, dass die Bundeswehr im Ernstfall „blank“ dasteht, schafft das auch mit 100. Der Bundeshaushalt notiert inzwischen 26 Sondervermögen, vom „Klärschlamm-Entschädigungsfonds“ über betagte Schulden aus der Finanzkrise bis zum „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ wegen Corona. Bemerkenswert leise ist es um die Frage, wer das wann zurückzahlen soll. Derzeit also nichts gut, aber Ende schlecht.
Die Queen hatte nun ihr 70. Thronjubiläum. Die Feier war riesig. Sollte auch Deutschland eine Party-Monarchie bekommen?
Meine Großcousine Margret wird diese Woche 102 und ich sehe sie da in der Poleposition.
Die Türkei will nicht mehr „Turkey“, sondern „Türkiye“ genannt werden, weil das erstere auch ein Tiername ist. Wollten Sie sich auch mal umbenennen?
Man möchte kaum Truthahn und sicher nicht „kalter Entzug“ heißen. Auch ist die Stimmung unter den Europäern gerade nicht nach „Gib mir wilde Tiernamen, Schatz“. Trotzdem ist „Türkiye“ heikel, weil den meisten europäischen Tastas die Umlaute fehlen. Solidarität: Dütschland heißen.
Und was machen die Borussen?
140 Tore Differenz, 54 Punkte, kein Spiel verloren, Aufstieg: die neu gegründeten BVB Frauen.
Fragen: Volkan Ağar und Johannes Drosdowski
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen