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Klimaforscher Grimalda reist ohne FlugIm Matratzenlager mit 50 Passagieren

Wer Flugscham ernst nimmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Forscher Gianluca Grimalda verlor deshalb seinen Job. Hier erzählt er vom Reisen ohne Fliegen.

Endlich geht es weiter: Gianluca Grimalda an der Grenze zu Indonesien Foto: privat

D er Wissenschaftler Gianluca Grimalda, 51, will nicht mehr fliegen – fürs Klima. Weil er deshalb nicht rechtzeitig von einer Forschungsreise in Papua-Neuguinea zurückkam, feuerte ihn das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die taz begleitet ihn auf seiner Reise per Schiff, Bus und Bahn zurück. Der taz berichtet er telefonisch, was ihn unterwegs beschäftigt.

Mitten in der Nacht schrecke ich auf. Ich ziehe meine Schlafmaske herunter, um zu sehen, wer mich im Schlaf berührt. Der Kopf meines Nachbars liegt an meiner Schulter. Er muss in der Nacht von seiner Matratze zu mir gerollt sein. Mein Gott, denke ich, das ist eine meiner schlimmsten Reisen bisher.

Dabei sollte ich eigentlich glücklich über die Fährfahrt sein. Denn zuletzt war es unsicher, ob mich das Ausländeramt in Vanimo, einer Stadt in Papua Neuguinea, nach Indonesien ausreisen lässt. Nach erfolgreichen Diskussionen habe ich die Fähre, die mich in fünf Tagen nach Surabaya auf der indonesischen Insel Java bringt, betreten.

Das Schiff war voller Männer, die zum Arbeiten pendeln. Nur wenige Frauen haben in dem großen Matratzenlager, in dem mehr als 50 Passagiere Platz finden, geschlafen. Privatsphäre hatte ich hier nicht. Zähne putzen, duschen, essen, überall haben mich meine Mitmenschen beobachtet. Meine Nachbarn haben viele Fragen gestellt: Wie oft wäschst du dich? Warum benutzt du eine elektrische Zahnbürste? Warum reist du mit uns?

Nur wenige wissen über die Klimakrise

Ich habe mich immer gefreut, wenn ich ihnen mithilfe einer Übersetzungs-App von den Reisen und meinem Alltag in Kiel erzählen kann. Am Anfang habe ich mich gewundert, wie sie auf das Leben, das ich führe, reagieren werde.

Doch niemand ist eifersüchtig gewesen, wenn ich ihnen Fotos und Videos gezeigt habe. Viele haben überrascht reagiert, wenn ich ihnen erzählt habe, warum ich mich gegen einen Rückflug entschieden habe. Sie haben nicht gewusst, wie klimaschädlich eine Flugreise ist und welche Gefahren C02 für unser Klima hat. Nur die jüngeren Männer wussten über die Klimakrise und ihre Folgen Bescheid.

Ich hoffe auch weiterhin auf meiner Reise mit Menschen ins Gespräch über unser Klima zu kommen. Derzeit reise ich mit dem Bus durch Java und hoffe, bald nach Singapur zu kommen.

Protokoll: Anastasia Zejneli

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12 Kommentare

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  • Geile Serie. Bitte mehr davon!

  • Ich wünsche ihm weiterhin eine gute Reise. Was mich allerdings mal interessiert und das sage ich nicht um ihn irgendwie gut oder schlecht dastehen zu lassen:



    ist es für das Klima wirklich besser wochenlang mit Schiffen, Bus, Bahn etc unterwegs zu sein, als eine Flugreise an einem oder vielleicht zwei Tagen zu absolvieren, kann man das irgendwie gegenrechnen und hat das mal jemand getan? Grade die Schifffahrt ist ja alles andere als Klimafreundlich

    • @PartyChampignons:

      Grund für die deutlich bessere Bilanz von Schiffen (trotz ihrer Betankung mit Schweröl) ist, dass sie deutlich mehr Ladung an Bord haben als ein Flugzeug.



      Der Mensch und sein Gepäck wird nach Gewicht in die Gesamtladung eingerechnet und sein Verbrauch ist dann proportional zu seinem Gewichtsanteil sehr gering.



      Wenn er zwischen den Schiffspassagen in einen Dieselbus steigt, sieht es nicht mehr ganz so gut aus, doch das Flugzeug ist trotzdem ein größerer Schluckspecht. Selbst wenn er allein ins Auto steigt, würde er im Vergleich zum Flugzeug weniger als ein Viertel verbrauchen.



      www.umweltbundesam...eisen-kreuzfahrten



      de.statista.com/st...ilometer-pro-jahr/ www.luftlinie.org/...hland/Gran-Canaria

      • @Herma Huhn:

        Oh, Korrektur: Die 1,9 tonnen für den Flug nach Gran Canaria gelten für hin und Rückflug.



        Damit stehen rund 6600 Kilometer Flugzeug 20000 Kilometern Auto entgegen, welche 1,5 tonnen CO2 ausstoßen.

    • @PartyChampignons:

      Ich kann das zwar nicht konkret beantworten, aber rein physikalisch ist der Energieaufwand fürs Fliegen um ein vielfaches höher als für Transport auf dem Land und dieser nochmal höher als der auf Wasser. Insofern bietet die Schifffahrt zumindest das größte Potenzial klimafreundlich zu sein.

      Abgesehen davon, würden die längeren Reisezeiten wohl auch dazu führen, dass viele Reisen wegfallen würden.

      • @Biks:

        Mir geht es da jetzt um den Fakot Zeit ganz konkret, ist es schlimmer einen Tag mit dem Flugzeug zu fliegen als zwei Wochen Schiff, Bus und Bahn zu fahren oder gleicht der Zeitfaktor das wieder aus.

        • @PartyChampignons:

          Im allgemeinen ist der Energieaufwand für Fortbewegung ums geringer, je langsamer man sich bewegt, da Luft- und Wasserwiderstand in der Regel quadratisch mit der Geschwindigkeit steigen also überproportional. Nach der Beschleunigungsphase sind es diese Widerstände, die den Energieverbrauch bestimmen (deswegen brauchen z.B. Autos bei 150 km/h deutlich mehr Sprit als bei 100 km/h). Bei bodengebundenen Fahrzeugen kommt noch die Rollreibung dazu, die aber meines Wissens weitgehend unabhängig von der Geschwindigkeit ist.

          Es kann allerdings Randbedingungen geben, die eine gewisse Mindestgeschwindigkeit verlangen. Ein Schiff muss natürlich Gegenströmung und Gegenwind überwinden. Ein Flugzeug braucht eine Mindestgeschwindigkeit, um ausreichend Auftrieb zu haben.

        • @PartyChampignons:

          Schon verstanden, aber mit dem Faktor Kilometer können Sie es viel besser ausrechnen.



          Wenn Sie mit dem Flugzeug 6600 Kilometer Zurücklegen, stoßen Sie mehr co2 aus, wie mit dem Auto auf einer Strecke von 20000 Kilometer. Natürlich braucht das Auto viel viel länger. Weniger CO2 ist es trotzdem.



          Und beim Schiff kommt es auf die Schiffsart an.



          Mit dem Kreuzfahrtschiff können Sie 7 Tage unterwegs sein, um den entsprechenden Ausstoß zu erreichen. Das sind definitiv mehr Kilometer als 6600.



          Bei einem Containerschiff werden aber nicht nur 1000 Menschen transportiert, sondern mehrere tausend ISO- Container. Da fällt das Gewicht und der Platzanspruch des Menschen kaum auf,weswegen er nur einen verschwinden geringen Anteil des CO2 Ausstoßes für die Strecke angerechnet bekommt. Entsprechend weit kommt man mit 1,9 tonnen CO2.

          • @Herma Huhn:

            Beim Flugzeug müsste man auch noch berücksichtigen, dass CO2 und andere Schadstoffe in großer Höhe ausgestoßen werden, wo ihre Klimawirkung nochmal anders ist.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Extrem-Reisende eine gute Werbung gegen Flugreisen und für klimafreundliches Leben macht.



    Wenn Klimaschutz so aussieht, wie seine Reise, dann ist es doch kein Wunder, dass so viele sich dagegen entscheiden.



    Doch Klimaschutz geht auch deutlich komfortabler.



    Zu Hause bleiben zum Beispiel, aber das wäre ja keine Kolumne wert.

  • Ich vermute, er besteht weiterhin darauf, dass er auf dieser Odyssee selbstverständlich genau so effektiv sein Forschungsprojekt aufarbeiten kann, wie zuhause im Büro... hat er ja im ersten Artikel als Grund dafür dargelegt, warum ein Flug keinesfalls notwendig sei und seinem Arbeitgeber gar keine Arbeitsleistung verloren gehen würde.

    • @TheBox:

      Im ersten Artikel stand auch, dass er angeboten habe, für die Reise Urlaub zu nahmen. Als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst vermute ich aber, dass das am Dienstreiserecht gescheitert wäre.

      Genauso wie wir aus rechtlichen Gründen brauchbare IT-Geräte verschrotten müssen, anstatt sie an gemeinnützige Einrichtungen abzugeben. Daran haben sich schon viele KollegInnen die Zähne ausgebissen.