Klima: Wärmster Winter seit 700 Jahren
1289 war es noch milder, sagt der Berner Klimahistoriker Luterbacher. Damals gab es Erdbeeren im Winter.
Der vergangene Herbst und Winter in Europa waren so warm wie seit mehr als 700 Jahren nicht mehr. Dieses Ergebnis veröffentlichte ein Team von Schweizer Klimahistorikern in ihrer jüngsten Studie. Ähnlich hohe Temperaturen gab es das letzte Mal im 13.Jahrhundert, meinen Klimahistoriker Jürg Luterbacher und seine Kollegen von der Universität Bern.
Im Winter 1289 gab es zu Weihnachten frische Erdbeeren, die Bäume verloren ihre Blätter nicht, Mitte Januar blühten Bäume. Diese Informationen stammen aus alten Jahresbüchern der Städte Colmar und Basel - der einzigen Quelle, die Luterbacher und seine Kollegen nutzen können, wenn sie Temperaturereignisse beurteilen wollen, die mehr als 500 Jahre zurückgehen. Denn die ältesten Temperaturmessungen in Europa beginnen erst 1659 mit Messungen aus Großbritannien. Wenn Klimahistoriker Luterbacher ältere Klimaereignisse nachvollziehen will, muss er Tagebücher von Ärzten oder Geistlichen nach Kommentaren über das Wetter durchforsten und sie entsprechend interpretieren.
So wie 1289. "Das war wirklich extrem", sagte Luterbacher dem Wissenschaftsmagazin "New Scientist". "Darum kann es mit der heutigen Situation in Mittel- und Westeuropa vielleicht verglichen werden." Im vergangenen Winter gab es zwar keine frischen Erdbeeren vom Feld, doch auch zwischen September 2006 und Februar 2007 reagierte die Natur auf das ungewöhnlich milde und schneearme Klima. In Deutschland etwa blühten Haselnussbäume und Schneeglöckchen gut einen Monat früher als gewöhnlich.
Vor allem die Tatsache, dass die Temperaturen von September 2006 bis Februar 2007 ungewöhnlich hoch waren, machten die jüngste Herbst-Winter-Saison so besonders. Vergleicht man die Herbst- und Winter-Temperaturen getrennt, so gab es vor rund 500 Jahren ähnlich milde Vergleichsjahre. Doch das Phänomen eines warmen Herbstes und Winters in einem Jahr ist seltener und soll in dieser Kombination eben noch weiter zurückliegen.
Im Winter 1289 waren Vulkanausbrüche in den Tropen der Grund für die hohen Temperaturen. Ein solches Ereignis hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Darum meinen die Schweizer Forscher, dass im Winter 2006/ 2007 vor allem warme Luftmassen, die vom nordafrikanischen Atlantik ins Meer hinaus drückten, für die hohen Temperaturen verantwortlich waren. Es sei schwer zu beurteilen ob ein solches extremes Einzelereignis tatsächlich schon eine Folge des Klimwawandels ist, meint Luterbacher, der auch an den Prognosen des Weltklimarates IPCC mitarbeitet. Doch angesichts der erwarteten Temperaturanstiege für das nächste Jahr sei es schon möglich, den vergangenen Winter als Anzeichen für den beginnenden Klimawandel zu interpretieren, heißt es in der Studie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!