Klima und Datenspeicherung: Auf der digitalen Müllhalde

In den Firmen-Speicherwolken sammeln sich Unmengen von nutzlosen Daten an. In der Masse wird die Speicherung zum Klimakiller.

Eine Hand verbindet Kabel

Braucht keiner, verbraucht aber Energie: Dark Data Foto: homasxKoehler/photothek.netx

Unternehmen verstreuen ihren Müll im digitalen Raum. Wissenschaft und Klimaschützer warnen, dass sich immer mehr davon, sogenannte Dark Data, anhäuft. Diese „Dunklen Daten“ sind schlecht fürs Klima. Dark Data entstehen, wenn ein Unternehmen oder eine Organisation Daten erhebt und sie dann speichert, ohne sie zu nutzen. Das können Daten aus der Arbeitszeiterfassung sein oder von einem Sensor in einem Kühlhaus, der alle paar Minuten die Temperatur misst und speichert. Solche Daten landen im verwinkelten Dateisystem von Firmen-Clouds und verbrauchen Strom.

Denn jedes Byte benötigt eine analoge Speichereinheit: Diese befindet sich in Rechenzentren, in denen Hunderte von Servern stehen, auf denen die Daten gespeichert werden. Deutschland allein verbraucht dafür pro Jahr rund 16 Milliarden Kilowattstunden, laut einer Modellrechnung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Das entspricht ungefähr dem Jahresverbrauch von 149 Millionen Kühlschränken.

Darüber hinaus benötigen Rechenzentren Ressourcen wie Stahl und Aluminium, deren Herstellung enorme Treib­haus­gas­emis­sio­nen verursacht. Berechnet man diese Faktoren mit ein, könnten gespeicherte Daten Treibhausgasemissionen in Höhe von 166 bis 280 Kilogramm CO2 pro Terabyte pro Jahr verursachen, fand das Umweltbundesamt mithilfe von Modellrechnungen heraus. Jedes Terabyte verursacht also jährlich so viele Emissionen wie eine Flugreise von Berlin nach München.

Das kalifornische Technologie-Unternehmen Veritas ist unter anderem auf Software spezialisiert, die beim Daten-Aufräumen hilft. In einer Studie hat Veritas erheben lassen, wie viel Prozent aller gespeicherten Unternehmensdaten „dark“ sind, also ungenutzt. Für Deutschland kommt es zu einer Schätzung von 66 Prozent aller von Unternehmen erhobenen Daten. Damit ist Deutschland unter den befragten Ländern Spitzenreiter. Nur 15 Prozent der Daten klassifizierten die Befragten als relevant für das Unternehmen.

Umstieg auf erneuerbare Energien reicht nicht aus

15 Prozent der Daten sind also notwendig, 66 Prozent sind „dark“. Die übrigen 19 Prozent sind sogenannte ROT-Daten („ROT“ für redundant, obsolet und trivial). Auch sie sind überflüssig, jedoch sind sich Unternehmen ihrer bereits bewusst und haben meist automatische Löschungen eingerichtet, wie zum Beispiel bei Spammails.

Zwar hilft der langfristige Umstieg auf erneuerbare Energien dabei, den CO2-Fußabdruck von Dark Data zu verkleinern. Er löse den Konflikt allerdings nicht, findet Thomas Jackson, Professor für Informations- und Wissensmanagement an der Loughborough University im Vereinigten Königreich. „Das Problem ist, dass in rasantem Tempo immer mehr Daten generiert werden“, sagt Jackson. So zeigte eine Studie der International Data Corporation, dass in einem Drittel der deutschen Unternehmen die Datenmengen jährlich um 31 bis 60 Prozent wachsen. Entsprechend rasant wächst auch der Energiebedarf. „Viele Unternehmen wissen überhaupt nicht, wie viele überflüssige Daten sie gespeichert haben“, sagt Jackson. Ein Grund für diese Ignoranz sei, dass die Speicherung von Daten sehr preisgünstig sei. Es fehle schlichtweg der Anreiz, Daten zu sparen, solange Firmenclouds derartig billig seien.

Dark Data könnte durch verantwortungsvolleres Datenmanagement eingedämmt werden. Das zeigen Jackson und sein Kollege Ian Richard Hodgkinson in einer im September erschienenen Studie. „Die Abläufe im Unternehmen müssen so geregelt sein, dass alles Wissen, das aus den Daten gewonnen wird, festgehalten wird.“

Umdenken auch bei Kon­su­men­t:in­nen

Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin ruft die Daten eines Sensors im Kühlhaus ab. Hierbei zeigt sich, dass die Temperatur weiterhin stimmt und nicht angepasst werden muss. Damit die abgerufenen Daten sowie Daten über den Abrufungsprozess nicht im Nirvana verschwinden, hält die Mitarbeiterin die Daten firmenintern als Zwischenstand fest. Die Auswertung dieser Daten könnte zum Beispiel dabei helfen, ideale Zeitabstände zu definieren, um Produktmengen zu überprüfen. Mithilfe dieser Dokumentation und Weiterverwertung entstehen zwar mehr Daten, aber sie sind nicht „dark“. Sie bleiben langfristig auffindbar und können zum gegebenen Zeitpunkt gelöscht werden.

Damit sich Datenmanagement für die Unternehmen lohnt, muss Druck von außen kommen. Jackson sieht an dieser Stelle auch Kon­su­men­t:in­nen in der Verantwortung. Datenmanagement müsse, ebenso wie andere Prozesse als Möglichkeit ins Bewusstsein rücken, CO2 einzusparen. „Außerdem müssten auf globaler Ebene politische Maßnahmen getroffen werden, um Unternehmen zu nachhaltigem Datenmanagement zu bringen“, sagt Jackson.

Das Problem: Solange verlässliche Daten darüber fehlen, wie viele Rechenzentren es in Deutschland gibt und wie viel Energie diese verbrauchen, können keine konkreten Maßnahmen ergriffen werden, findet Marina Köhn, Expertin für „grüne IT“ beim Umweltbundesamt (UBA).

Rechenzentren in Register erfassen

Deshalb arbeite das UBA an einem Rechenzentrumsregister. Mit dem Energieeffizienzgesetz, dessen Entwurf sich aktuell in der Abstimmung befindet, sollen Unternehmen verpflichtet werden, Leistung und Energieverbrauch in dem Register transparent zu machen. Das sei etwas ganz Neues, sagt Köhn, denn: „Rechenzentren mussten bisher überhaupt keine gesetzlichen Auflagen erfüllen.“

Relevant für den CO2-Fußabdruck sei auch die Auslastung der Server. Diese würden nämlich dann am effizientesten laufen, wenn sie nahezu voll ausgelastet sind, sagt Köhn. „Das Problem ist, dass die Auslastung in den Rechenzentren häufig so schlecht ist, dass sie gar nicht effizient arbeiten können.“ Stattdessen würden die Betreiber sie oft im unteren Bereich oder sogar im Leerlauf arbeiten lassen. Mangel herrscht also sowohl beim Technik- als auch beim Daten-Management.

Angesichts der Masse an Daten, die Studien für kommende Jahre prognostizieren, müssen Politik und Unternehmen eine sinnvolle Strategie für ihre Speicherung und Verwertung finden. Sonst nutzen sie niemandem etwas und schaden darüber hinaus dem Klima.

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