Klima-Streit zwischen USA und EU: Der neue Systemkonflikt
Jetzt mal im Ernst, liebe EU-Kommission: Will Europa klimaneutral werden, gibt es keine andere Option als den Kampf der Ordnungen.
I n den 90er Jahren dachten viele, der Kampf der Systeme sei vorbei und das Ende der Geschichte erreicht: Die Kombination liberale Demokratie plus Marktwirtschaft würde sich als eindeutig erfolgreichstes Modell aller Zeiten bis in alle Zeiten halten.
Der von dem Politikwissenschaftler Francis Fukuyama prominent vertretene Gedankengang ist schon unzählige Male als voreiliges Triumphgeheul verworfen worden – und derzeit fügt Ursula von der Leyen dem ungewollt ein neues Kapitel hinzu. Realisiert hat die EU-Kommissionspräsidentin das vermutlich noch nicht.
Ebenso wenig die vielen anderen Staatenlenker*innen in der EU, die sich erfreulicherweise hinter das Vorhaben stellen, den Kontinent als ersten der Welt bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Was das bedeutet, davon gibt es gerade auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos einen Vorgeschmack: einen Systemkonflikt mit den USA.
Denn die EU muss nichts Geringeres hinbekommen, als die Marktwirtschaft neu zu erfinden. Und sie durch ein System zu ersetzen, das Umweltkosten (und optional auch Sozialkosten, auch dazu hat sich die EU bekannt) in alle Preise für jedes Produkt und jede Dienstleistung integriert.
Der Schlagabtausch als Auftakt
Viele Wirtschaftswissenschaftler halten dafür einen Weg für den elegantesten, nämlich einfach den Ausstoß von CO2 allmählich zu verteuern. Und schon werden sich, so ihre Vorstellung, automatisch klimafreundliche Autos, Burger und Ökobaumwollunterhemden am Markt durchsetzen.
Das ist ein Trugschluss. Niemand hat die globale Vernetzung der Wirtschaft in die Gleichung mit aufgenommen. Was also passiert, wenn der eine Wirtschaftsraum seine Steuer- und Abgabenpolitik auf öko umstellt (die EU), während andere sich verweigern (USA, Brasilien, Australien), Klimapolitik in einem nicht-marktwirtschaftlichen System betreiben (China) oder öko- und fossile Technologien aus entwicklungspolitischen Gründen gleichermaßen forcieren (der Rest vom Fest)?
Der Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Ursula von der Leyen in Davos war da nur ein Auftakt des neuen Systemkampfes. Will die EU ihre Klimaziele einhalten, muss sie diesen Konkurrenzkampf mit allen Mitteln aufnehmen.
Zwar hat die EU auch bisher schon deutlich mehr für den Klimaschutz getan als die USA. Aber sie hat die Früchte geerntet, die ohnehin auf Augenhöhe baumelten: Die immer gleichen Industrieprozesse effizienter machen, erneuerbare Energien parallel zu den alten, fossilen aufbauen, Gebäude dämmen.
Die Klimabilanz jeder einzelnen Schraube kennen
Die Industrien, die mit CO2-intensiven Produkten im globalen Wettbewerb standen, hat man einfach weitestgehend vom Klimaschutz ausgenommen. Das wird angesichts der Ziele bis 2050 nicht mehr gehen. Der harte Kern der EU-Industrie muss gewaltige Risiken aufnehmen, in neue Technologien und Prozesse investieren – und das alles gegen Konkurrenten aus den USA, die einfach die alten, schmutzigen, längst finanzierten Anlagen weiterlaufen lassen können, weil Klimasünden dort nichts kosten.
Die Antwort der EU darauf soll eine CO2-Grenzssteuer werden, wie von der Leyen in Davos mal wieder vortrug. Die Steuer soll europäische Unternehmen, die in Klimaschutz investieren, vor Billigimporten aus Ländern schützen, die es mit dem CO2 nicht so halten wie wir hier. Und gleichzeitig EU-Firmen bezuschussen, die weniger klimaschädliche und deshalb zunächst teurere Produkte exportieren wollen.
Aber noch weiß niemand, wie diese Grenzsteuer praktisch funktionieren soll, weil in einem VW eben Teile aus aller Welt stecken. Die EU muss also die Klimabilanz jeder einzelnen Schraube kennen.
Vor allem muss das neue ökonomische Grenzregime der EU wirksam sein, und das heißt: Europa muss seine neue Klimawirtschaft gegen Donald Trump oder jede andere von Republikaner geführte US-Regierung durchboxen. Nach dem „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) folgt also die nächste Geschichte: Kapitalismus versus Ökokapitalismus.
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